Brennaburg
schon!«
Seine Stimme war lauter geworden, so daß der Falke den von einer Kappe bedeckten Kopf zu bewegen und sogar die Schwingen zu öffnen begann. Bestürzt blinzelnd raunte ihm Otto etwas zu, wobei er ihm wie entschuldigend über den Flügelbug strich. Nachdem er das Tier beruhigt hatte, fuhr er gedämpft fort: »Nichts für ungut, ich scherze nur. Sag den Deinen, daß es von ihnen abhängt, wie ich mich euch gegenüber künftig verhalten werde. Freundschaft werde ich mit Freundschaft, Untreue mit Strenge vergelten. Präge dir diesen Satz ein, er ist der Schlüssel zu meiner Seele. Mich auszuspähen lohnt nicht; um jedes Körnchen Silber, das ihr dafür aufwendet, ist es schade. Wirst du ihnen das ausrichten?« schloß er, sich nach dem Reiher bückend.
In diesem Moment erscholl Lärm, und von der Menge auf der Lichtung lösten sich etliche Männer. Schreiend und mit ihren Schwertern fuchtelnd, stürmten sie auf den König zu. Noch bevor sie ihn erreicht hatten, blieben sie auf ein Zeichen ihres Anführers stehen. Dieser, ein ganz in Eisen gehüllter Riese, steckte seine Waffe wieder in die Scheide, ordnete das Wehrgehenk und stellte sich danach vor Otto auf. »Wie kannst du uns nur so etwas antun, Herr König!« keuchte er. »Zu Tode hast du mich erschreckt! Sagst, daß du dich nur wenige Schritte entfernst, und dann bist du auf einmal wie von der Erde verschluckt. Wie, wenn dir nun etwas zugestoßen wäre?«
Ottos Miene hatte sich verfinstert. »Eine dumme Frage«, sagte er eisig. »Wäre mir etwas zugestoßen, hätte man dir jeden Knochen gebrochen. Oder was glaubst du?«
Seine Augen wurden schmal.
»Hat man schon einmal solch einen Trottel gesehen!« brüllte er plötzlich ohne Rücksicht auf den erneut scheuenden Beizvogel los. »Jammert wie eine Gänsemagd, der ein Küken abhanden gekommen ist! Habe ich auf meine Leibwächter zu achten oder diese auf mich? He! Ich habe gesagt, daß ich keinen deiner Leute sehen will. Sehen, verstehst du? Es ist deine Aufgabe, ihnen beizubringen, wie man mir folgt, ohne daß ich es bemerke.«
Während sich der Falke nach vorn beugte, den Schnabel aufsperrte und durchdringend schrie, hatte der Gepanzerte den Ausbruch des Königs stumm über sich ergehen lassen. Auf seinem groben, vom schnellen Laufen geröteten Gesicht malte sich grenzenloses Erstaunen, ein Anblick, der Otto zu besänftigen schien, denn seine wutverzerrten Züge glätteten sich.
»Aufgewacht, alter Freund«, sagte er mit einem kleinen Lächeln, »den jungen Mann, an dem du gelegentlich auch einmal herumnörgeln durftest, gibt es nicht mehr. Seit gestern bin ich dein König. Sollte das nicht in deinen Schädel gehen, teile es mir getrost mit; ich würde es dir nicht verargen. Bist schließlich nicht mehr der Jüngste und hättest dir einen ruhigeren Posten wahrlich verdient.«
Der Mann erbleichte. »Herr König, wie kannst du nur so etwas sagen!« stieß er hervor. »Ich und zu alt, um dir zu dienen? Schau mich doch an, ich nehme es noch mit jedem auf! Ich schwöre dir, es war allein die Angst um dein Leben, die mich den dir schuldigen Respekt vergessen ließ.«
Er faßte nach Ottos Hand, aber dieser entzog sie ihm hastig. »Hör schon auf«, äußerte er mit einem Anflug von Verlegenheit, »du wirst mich noch zu Boden reißen. Wenn du übrigens jemanden benötigst, der deine Leute lehrt, wie man sich unsichtbar macht, dann kann ich dir helfen. Er steht hinter dir.«
Der Mann drehte sich um, und in seinem Gesicht begann es zu zucken. »Sieh einer an«, sagte er, auf Ratibor zutretend. »Was hast du denn hier verloren? Du weißt sehr wohl, daß es dir verboten ist, ohne einen der Unseren mit dem da zu reden.«
»Verboten?« Ratibor hob die Brauen. »Mir hat niemand gesagt. Wann wurde es verboten?«
Der Gepanzerte entblößte seine Zähne. »Stell dich nur dumm, Herr Slawe«, sagte er grimmig, »darin seid ihr ja Meister. Tut immer, als könntet ihr kein Wässerchen trüben, doch sobald man euch den Rücken kehrt, kommt eure wirkliche Natur zum Vorschein. Aber auch Gesandte, daran solltest du stets denken, sind nicht unverwundbar. Schon mancher, der seine Nase in Dinge steckte, die ihn nichts angingen, verlor dabei das Gleichgewicht und brach sich das Genick … Und du«, wandte er sich an Tugumir, »hättest erst recht allen Grund, vorsichtig zu sein. Hast offenbar vergessen, wie es ist, wenn man ein paar Wochen gefesselt im Keller sitzt. Was hast du ihm eigentlich erzählt? Na los, raus mit der
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