Brennaburg
König denn wolle. Den Gefallen tue ich dir nicht, ging es Gero durch den Kopf, und da ihn das Gehabe des anderen zu ärgern begann, sagte er barsch: »War das alles, womit ich dir dienen kann? Wenn es so ist, will ich deine kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
»Holt die Pferde!« rief Werner seinen Leuten zu. Dann schob er die Hände hinter den Gürtel und deutete, sichtlich verdrossen, eine Verbeugung an. »Hast du schon gehört?« erkundigte er sich plötzlich leise. »Graf Siegfried …«
»Graf Siegfried? Was ist mit ihm?«
»Also weißt du es noch nicht?« Der Bote hob die Brauen. »Gestorben ist er. Er fiel um und war tot.«
Gero spürte, daß ihm die Knie zu zittern begannen. Unwillkürlich schaute er nach unten. »Ich wußte es nicht«, entgegnete er tonlos. »Welch ein schrecklicher Verlust.«
Siegfried war ebenso wie Hermann für den Schutz der östlichen Reichsgrenze verantwortlich. Im Kriegsfall unterstanden ihm alle Grafen in den Grenzgebieten zwischen mittlerer Elbe und Saale. Und nun war er also tot.
Werner ließ ein Lachen vernehmen, seine Augen blickten jedoch dabei ernst, fast gehässig. »Jetzt fragen sich natürlich alle, wem wohl die erledigte Legatschaft zufallen wird«, fuhr er fort. »Jeder, der in diesen Tagen zum König gerufen wird, hofft verständlicherweise, daß er der Glückliche ist. Manche hoffen es nicht bloß, sie wissen es bereits und tragen eine Sicherheit zur Schau, über die man nur staunen kann. Sie scheinen zu vergessen, daß der König bis zuletzt Herr seiner Entschlüsse ist und sich von niemandem Vorschriften machen läßt.«
»Wer möchte es bezweifeln«, murmelte Gero. Er räusperte sich. Weshalb heut so redselig, wollte er spötteln, hörte sich aber zu seiner Beschämung sagen: »Doch gibt es bestimmt auch Männer, deren Ansichten größeres Gewicht beizumessen ist. Die, da sie ständig in der Nähe des Königs weilen, mit seinen Plänen bestens vertraut sind. Männer wie«, verlegen wandte er das Gesicht ab, »etwa dich.«
»Sie gibt es«, bestätigte der Bote gelassen. »Obschon ich mich nicht zu ihnen zählen darf.«
»Aber du hast mit ihnen Umgang.«
»Das kann ich nicht leugnen.«
Es entstand eine Pause, und während der Graf noch mit sich rang, wurde Werner das Pferd gebracht. Gemächlich stieg er in den Sattel.
»Dann wirst du sicherlich wissen, wer nach Meinung dieser Leute am ehesten für das Amt des Legaten in Betracht kommt«, würgte Gero hervor.
Über Werners Miene huschte ein Lächeln, und im selben Augenblick begriff Gero, daß ihm der Bote eine Falle gestellt hatte. Kopfschüttelnd faßte dieser nach dem Zügel, ließ ihn wieder los. »Ich muß mich doch sehr wundern«, sagte er von seiner Höhe herab. »Bislang wähnte ich mich vor dem Verdacht geschützt, ein Mann zu sein, der über Dinge redet, über die zu reden ihm nicht zusteht. Sollte ich mich hinsichtlich meines Rufes derart getäuscht haben?«
»Was faselst du da?« rief der Graf erbleichend und trat dem Pferd in den Weg. »Du selbst –«
»Ich selbst – was? Wessen hätte ich mich anzuklagen? Daß ich, ohne es auch nur zu ahnen, deine Wißbegierde herausgefordert habe?«
Gero entfuhr ein Stöhnen, er wollte den Boten unterbrechen, aber dieser sprach sogleich weiter, laut genug, daß ihn auch die Umstehenden hören konnten: »So werde ich sie wohl stillen müssen, denn wie es aussieht, läßt du mich sonst nicht vom Hof. Wer die besten Aussichten besitzt, Siegfrieds Nachfolger zu werden, wünschst du zu erfahren?«
Er hielt inne und zuckte die Schultern.
»Selbstverständlich Thankmar, des Königs Halbbruder. Das allerdings«, schloß er mit unverblümtem Hohn, »hätte dir in Wallhausen auch jeder beliebige Schweinehirt sagen können.«
4
I M LETZTEN A UGENBLICK hatte der Graf beschlossen, ohne Begleitung zu reisen. Das war äußerster Leichtsinn, doch um die Seele von einer erlittenen Demütigung zu reinigen, gibt es bekanntlich kein wirksameres Mittel, als sich freiwillig einer Gefahr auszusetzen. So war er allein durch Gegenden geritten, von denen es hieß, daß hier Geächtete ihr Unwesen trieben, hatte unterwegs gebadet, die erste Nacht im Freien verbracht und sogar ein Feuer angezündet. Die Vorsehung hatte sich sein herausforderndes Verhalten gefallen lassen. Schon am Abend des zweiten Tages erreichte er wohlbehalten einen Ort in der Nähe von Wallhausen, wo er beim Dorfältesten Unterkunft fand.
Durch das Fenster der Kammer sah er den
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