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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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darauf kam es ihm ja an.
    Als er meinte, daß sie mit sich im reinen waren, befahl er, aus der Kirche zwei Reliquienkästchen zu holen und den Gefangenen unter die große Linde hinter dem Backhaus zu tragen. Umsichtig gingen die Bauern daran, seine Anweisungen auszuführen. Einige schoben Tücher unter den Verletzten und schleppten ihn zu dem Baum, wo sie ihn absetzten und mit dem Rücken an den Stamm banden. Zwei Knaben kümmerten sich um die Kuh, die als Beweisstück an der Verhandlung teilnehmen mußte. Um sie nicht zu beunruhigen, hielten sie ihr ein Büschel Gras vors Maul und lockten sie Schritt für Schritt zum Richtplatz.
    Hier wurde der Strick, der an ihrem Hals baumelte, an das linke Bein des Angeklagten geknotet. Mittlerweile waren auch die beiden Kästchen zur Stelle, von denen ihm das eine auf den herabhängenden Kopf gelegt wurde. Das andere übergab man dem Ältesten der sechs Zeugen, die der Kläger zuvor ausgewählt hatte. Dieser – es war der Bauer mit dem Dreschflegel – trat neben den Gefesselten und schwor, daß sich alles so ereignet habe, wie er berichtet hatte. Danach bekräftigten die Zeugen seinen Schwur mit einem Eid.
    Sie hatten noch nicht geendet, als der Dieb aus einer Ohnmacht erwachte und auf einmal zu stöhnen anfing. Die erschrockene Kuh machte einen Sprung zur Seite, worauf sich der Strick straffte. Der Verwundete bäumte sich auf, und seinem Mund entrang sich ein grausiger Ton. Ein Mann, der das herabgefallene Reliquienkästchen in Sicherheit bringen wollte, ließ es wieder fallen und nahm Reißaus. Mehrere Leute sprangen herbei, doch statt das Seil zu zerschneiden, versuchten sie, die Kuh zu bändigen. Das gelang ihnen zwar, führte aber dazu, daß die Worte der Zeugen in einem Gewirr aus Schmerzenslauten, Flüchen und dem Gescharre des verängstigten Tieres untergingen.
    Die Versammelten wurden unruhig, und einige stahlen sich sogar davon. Wir waren dagegen, besagten ihre Blicke, jetzt siehst du, wie recht wir hatten. Gero tat weiterhin, als lausche er den Zeugen. Nachdem sie fertig waren, trat er neben die Kuh, zog sein Messer und hieb den Strick entzwei. Dann verkündete er, daß der überführte Dieb sein Leben verwirkt habe und der Kläger mit ihm nach Belieben verfahren dürfe.
    Der Verurteilte, der einen Augenblick still gewesen war, begann an dieser Stelle abermals zu stöhnen, es war, als habe er den Spruch gehört. Gero gab dem Bauern ein Zeichen, dieser rührte sich jedoch nicht vom Fleck.
    »Was hast du?« fragte der Graf ungeduldig.
    Der andere senkte den Kopf und murmelte: »Wozu sich noch an ihm vergreifen …«
    »Dann willst du ihn als Knecht behalten? Das steht dir frei. Sieh zu, ob du ihn retten kannst.«
    »Ich verknechte keinen Sterbenden, Herr«, erwiderte der Bauer mit fester Stimme. »Das bringt Unglück. Ich will diesen Mann nicht.«
    »Was willst du dann?«
    »Nichts will ich von ihm. Für das, was er tat, hat er bezahlt. Mag er in Frieden sterben.«
    Gero spürte, wie ihn die Beherrschung verließ. Er unterdrückte seinen Zorn und sagte eindringlich: »Vorhin ging es dir nicht schnell genug. Jetzt, da wir ein Urteil gefällt haben, empfindest du mit dem Beschuldigten plötzlich Mitleid. Ist das nicht sonderbar?«
    Sein Gegenüber blickte verwirrt. Nach einer Weile flüsterte er: »Gewiß verhält es sich so, wie du sagst, Herr. Doch was kann ich tun? Der Verstand sagt mir, daß ich dir gehorchen sollte. Das Herz aber weigert sich.«
    »Ist das dein letztes Wort?«
    Der andere nickte und machte eine hilflose Gebärde.
    »Wie du möchtest. Ich werde mich aber noch sehr lange daran erinnern.«
    Schweigend nahm der Bauer die Drohung hin. Gero begriff, daß es zwecklos war, noch länger auf ihn einzureden. Er drehte sich um, winkte zwei seiner Leute herbei und wies sie an, die Hinrichtung zu vollziehen. »Macht es mit der Fessel«, beantwortete er die Frage in ihren Gesichtern. »Und laßt ihn da, wo er ist.«
    Unverzüglich begaben sich beide zur Linde. Während der eine das Seil aufknotete, hielt der zweite den Gefangenen fest. Auf einmal neigte er sich zu diesem hinab, schüttelte ihn leicht, richtete sich auf und bückte sich wieder.
    »Er ist tot«, sagte er trocken.
    Ringsum erlöstes Raunen. Die beiden Männer verzogen keine Miene. Aufmerksam sahen sie zu Gero, als erwarteten sie den Befehl, das Urteil doch noch zu vollstrecken.
    Während sich die Menge verlief, kam ein Reiter ins Dorf geprescht. Am Rand des Angers sprang er aus dem Sattel,

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