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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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sind. Und da wir nicht wissen, wann sich ihre Auffassung ändern wird, können wir nur warten, bis sie zuschlagen. Ist es soweit, beweisen wir ihnen mit Gottes Hilfe, daß sie sich geirrt haben, und danach beginnt alles von vorn. Wir haben keinen Krieg. Frieden aber haben wir auch nicht.«
    Vorsichtig bewegte der Graf die Schultern. Worauf wollte der König hinaus? Es schien, als beklage sich dieser, doch worüber? »Worüber beklagt er sich, wirst du dich fragen«, sagte Otto in seine Gedanken hinein, »denn schließlich liegt die Schuld dafür, daß es so ist, ganz allein bei uns. Recht hast du, mein Freund! Wenn man, statt Wälder zu roden und den gewonnenen Boden zu bewirtschaften, sich darauf beschränkt, in ihnen zu jagen und zu sammeln, so gilt das als dumm und rückständig. Jedem leuchtet das ein. Verhalten wir uns gegenüber den Barbaren aber nicht ähnlich? Wir belagern ihre Burgen, ohne sie zu besetzen, pressen ihren Oberen Treuegelöbnisse ab, statt sie zu beaufsichtigen, plündern ihre Bauern aus, statt sie für uns arbeiten zu lassen. Wie gewöhnliche Räuber benehmen wir uns und sind dann noch empört, wenn sie sich immer wieder erheben … Warum schweigst du?« fügte er hinzu.
    Gero schlug die Augen nieder. Langsam sagte er: »Verzeih, Herr König, aber deine Gedanken sind außergewöhnlich kühn und, jedenfalls für mich, neu. Das, was gestern noch richtig war, ist heute falsch, gibst du mir zu verstehen und wünschst, daß ich«, er zögerte, »das sofort begreife. Indes, begreife auch mich. Solange ich die Ehre habe, dir und zuvor deinem Vater zu dienen, mußte ich stets Befehle ausführen, auf deren Zustandekommen ich keinen Einfluß hatte. Es wäre mir kaum zum Vorteil geraten, hätte ich sie gegenüber dem, der sie mir erteilte, jemals in Zweifel gezogen.«
    »Ganz recht«, erwiderte Otto kalt, »und so wird es auch bleiben. Hier handelt es sich jedoch nicht um Befehle, sondern darum, daß ich deine Ansichten erfahren möchte. Oder ist es so, daß du vor lauter Furcht, in Ungnade zu fallen, das Denken verlernt hast? Mein Vater hat Großes vollbracht«, fuhr er fort, »wer wüßte das besser als ich. Doch dieses Große macht Größeres möglich, ja notwendig. Er hat das Seine getan zu seiner Zeit, ich muß das Meine tun zu meiner Zeit. Sprich also freiheraus.«
    Gero beugte sich vor. »Du willst ihr Land besetzen«, sagte er schroff. »So hat es König Heinrich bereits mit den Daleminzern gemacht, und wenn er –«
    »Weil er sie haßte«, unterbrach ihn Otto. »Sie haben uns die Ungarn auf den Hals gehetzt, das hat er ihnen nie verziehen.«
    Er stand auf, lief zum Fenster und drehte sich herum. »Mir liegt es fern, ihnen zu verargen, daß sie sich mit allen Mitteln gegen uns gewehrt haben. Nicht weil ich die Slawen hasse, will ich sie unterwerfen, sondern weil ich es tun muß. Sie sind die Schwächeren und daher zur Beute bestimmt, wenn nicht zu unserer, so zu der eines anderen, der dann für uns zu einer Gefahr würde. Kein Fluß ist ohne Ende, jeder geht einmal in einem größeren auf oder mündet ins Meer. Für sie ist dieser Zeitpunkt nun gekommen. Wenn es sich aber so verhält«, er nahm wieder Platz, »darf man auch nicht auf halbem Wege stehenbleiben. Denn solange wir sie nicht vollständig bezwungen haben, sind wir ebenso ihre Gefangenen wie sie die unseren. Deshalb müssen wir ihnen die Hoffnung rauben, daß sie durch Aufstände etwas gewinnen können. Wir rauben sie ihnen nur, indem wir Bewaffnete in ihre Burgen legen. Selbstverständlich beabsichtige ich nicht, alle Barbaren auf einmal unter unsere Botmäßigkeit zu zwingen«, fuhr er, immer schneller sprechend fort: »Was die Obodriten und die Stämme östlich von ihnen betrifft, so mag es vorerst bleiben wie bisher. Überhaupt werden wir es künftig vermeiden, in Gegenden fern von unseren Grenzen zu ziehen, denn wie uns die Böhmen gezeigt haben, taugen dort errungene Siege nur wenig. Wir widmen uns denen, die in unserer Nähe siedeln. Auch sollten wir uns zunächst hüten, den Brandenburger Fürsten unnötig zu reizen. Solange er sich nicht einmischt, führen wir keinen Krieg. Wir üben lediglich Vergeltung, bestrafen Treulose und Säumige, stellen Ordnung wieder her. Wo wir einmal Fuß gefaßt haben, gehen wir allerdings nicht mehr weg. Schritt für Schritt erweitern wir so unsere Macht, und wenn sich der Heveller zum Kampf entschließt, wird es für ihn zu spät sein. Befindet sich die Brandenburg erst in unserem Besitz,

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