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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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erhalten. Zudem war es nicht seine Art, den König ständig mit Wünschen und Beschwerden zu behelligen.
    Er vernahm Schritte, die rasch näher kamen. Gleich darauf wehte Zugluft durch die Kammer, und Otto, angetan mit einem weiten taubengrauen Kittel, trat über die Schwelle. Um nicht an den Rahmen zu stoßen, hatte er den Kopf eingezogen. Er blinzelte abgespannt und schaute noch einmal auf den Gang hinaus.
    Beim Anblick dieses jungen Mannes, der, wie ein Bauer gekleidet, eigenhändig die Tür schloß und sich zuvor vergewisserte, daß ihm niemand gefolgt war, wurde der Graf sofort ruhiger. Eben noch ehrfurchtsvoll gestimmt, hatte er jetzt sogar Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Er hatte Otto seit dessen Thronbesteigung ein einziges Mal gesehen, auch da lediglich von weitem, und ihm schien, als sei die Ähnlichkeit mit dem Vater noch auffallender geworden. Der kräftige, von einem dichten Bart gesäumte Mund, die kleine Nase und die etwas hervorstehenden Augen waren ebenso sein Erbteil wie der hohe Wuchs. Er war jedoch schlanker als der verstorbene König, seine Hände wirkten, anders als die Heinrichs, geradezu schmal, und statt der herausfordernden Fröhlichkeit des Vaters zeigte Ottos Miene, so wie jetzt, häufig einen grüblerischen Ausdruck.
    In diesem Moment unterbrach er das Blinzeln und heftete seinen Blick auf Geros Gesicht. Er sah ihn nicht einfach an, sondern bohrte sich wie ein Bogenschütze förmlich in ihn hinein, mit der Unbefangenheit eines Menschen, der es gewöhnt ist, andere zu benutzen, und der längst nichts mehr daran findet, sie das merken zu lassen. Diese stumme Prüfung dauerte nur eine Winzigkeit, Gero indessen war danach nicht mehr zum Lachen zumute. Er verbeugte sich.
    »Sei mir willkommen«, sagte Otto, »und hab Dank, daß du dich unverzüglich auf den Weg gemacht hast. Hattest du eine gute Reise?«
    »Gewiß, Herr König.«
    »Du bist ohne Gefolge gekommen, hörte ich. Warum? Ein besonnener Mann wie du, ich mochte es nicht glauben.«
    »Warum?« entfuhr es Gero. Das war ungehörig, und so verbesserte er sich: »Um aufrichtig zu sein, ich weiß es nicht. Eine Laune vielleicht.«
    »Eine Laune«, wiederholte Otto. Er sagte es ohne besondere Betonung, trotzdem hatte das Wort jetzt einen Klang, der Gero erkennen ließ, daß er einen Fehler begangen hatte.
    »Graf Gero, wird behauptet, verachtet den Wein«, sprach Otto weiter und füllte dabei die beiden Becher. »Ich hatte das nie bemerkt. Wenn du am Hof bist, hältst du ja tapfer mit. Auch jetzt wirst du mir einen Schluck zur Begrüßung hoffentlich nicht abschlagen.«
    Und nachdem sie ausgetrunken hatten: »Das sind nun einmal die Nachteile des Königsdienstes: Er schert sich nicht um Gewohnheiten, von Launen ganz zu schweigen.« Fast beiläufig fügte er hinzu: »Gib mir dein Wort, daß du nie wieder so etwas Törichtes tust.«
    »Wie du befiehlst.«
    »Und nun nimm Platz. Erzähle mir, wie es an der Grenze steht.«
    Gero setzte sich. Er fühlte Enttäuschung. Das also war es. Aber was gab es da schon zu erzählen. Seit wenigstens einem Jahr war die Lage unverändert, jedenfalls in dem Gebiet, das er überschaute. Otto mußte sie kennen, hatte ihn doch Siegfried bis zu seinem Tode durch Kuriere auf dem laufenden gehalten. Dennoch berichtete er: Im großen und ganzen sei es ruhig; die Bauern trieben Handel miteinander, ein sicheres Zeichen, daß der Frieden nicht bedroht sei. Dann und wann gäbe es Überfälle, hauptsächlich von sorbischer Seite, bei denen Vieh gestohlen und Speicher geplündert würden, Tote sowie Zerstörungen jedoch selten zu verzeichnen seien. Die Vernehmung Gefangener habe ergeben, daß an der Spitze solcher Unternehmungen kleiner Dorfadel stünde, der sich auf diese Weise für die Verluste zu entschädigen suche, die ihm aus den Zinsverpflichtungen erwüchsen. Eine Herausforderung könne er, Gero, in diesen Raubzügen nicht sehen, zudem bleibe man einander ja nichts schuldig. Weder sei eine Zunahme derartiger Vorkommnisse zu beobachten, noch müsse man befürchten, daß sie sich zu einem Krieg ausweiteten. Auffallend übrigens die Zurückhaltung der Heveller und der von ihnen beherrschten Stämme. »Und was den Tribut betrifft, so bist du, Herr König, bestimmt besser unterrichtet als ich«, schloß er.
    »Selbstverständlich«, sagte Otto mit einem Anflug von Ungeduld. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und blickte zum Fenster hinaus. »Sie entrichten ihn, solange sie glauben, daß wir die Stärkeren

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