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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Sie ist untot, Ben.«
    Er hatte es ihnen vorgeführt; hatte den Blutdruckmesser um ihren starren Arm gelegt und gepumpt. Der Zähler hatte oo/oo angezeigt. Er hatte das Stethoskop auf ihre Brust gelegt, und jeder von ihnen hatte hören können, wie still es in ihrem Inneren war.
    Etwas wurde Ben in die andere Hand gedrückt - noch Jahre später wußte er nicht, wer ihm den Hammer gereicht hatte. Den großen Hammer mit dem Gummigriff. Der Kopf schimmerte im Licht der Taschenlampe.
    »Machen Sie es rasch«, sagte Callahan, »und gehen Sie ans Tageslicht. Alles andere tun wir.«
    »Gott, vergib mir«, flüsterte Ben.
    Er hob den Hammer und schlug zu.
    Der Hammer traf geradewegs auf die Spitze des Pfahles, und das gallertartige Vibrieren, das sich über den ganzen Leichnam zog, sollte ihn von nun an für immer in seinen Träumen verfolgen.
    Weit und blau öffneten sich Susans Augen; aus der Wunde spritzte Blut, erstaunlich viel Blut. Es floß über Bens Hände, bespritzte sein Hemd, seine Wangen.
    Susan krümmte und wand sich, ihre Hände flatterten in der Luft wie Vögel, die Beine trommelten auf das Holz der Plattform. Aus dem aufgerissenen Mund sprudelte das Blut hervor, und darunter sah man die erschreckend großen, wolfsähnlichen Fänge.
    Der Hammer hob sich und fiel nieder, hob sich und fiel nieder ...
    Bens Gehirn war von den Schreien großer, schwarzer Krähen erfüllt. Seine Hände waren blutigrot, der Pfahl war blutigrot, der erbarmungslos niederfallende Hammer war blutigrot. Das Licht der Taschenlampe ließ Jimmys Hände phosphoreszieren und blitzte über Susans verzerrtes, schmerzgepeinigtes Gesicht.
    Ihre Zähne bissen sich durch das Fleisch ihrer Lippen und rissen diese in Fetzen. Blut spritzte über das Laken aus frischem Leinen, das Jimmy vorsichtig zurückgeschlagen hatte, und bedeckte es mit einem Muster, das aussah wie ein indonesischer Batikdruck.
    Und dann plötzlich krümmte sich Susans Rücken wie ein Bogen, der Mund öffnete sich mehr und mehr, bis es schien, als ob der Kiefer brechen wollte. Aus der Wunde schoß ein Strahl dunklen Blutes - Herzblut. Der Schrei, der sich ihrer Kehle entrang, kam aus den tiefsten Tiefen, aus der letzten Dunkelheit einer menschlichen Seele. Noch einmal kam ein Schwall Blut aus Mund und Nase ... und etwas anderes noch. In dem schwachen Licht war es nur die Andeutung, der Schatten von etwas.
    Es verschmolz mit der Dunkelheit und war fort.
    Susan fiel zurück, der Mund entspannte sich, schloß sich.
    Einen Augenblick lang flatterten die Augenlider, und Ben sah oder glaubte noch einmal jene Susan zu sehen, die er im Park, ein Buch lesend, getroffen hatte.
    Es war vorüber.
    Ben trat zurück, ließ den Hammer fallen und streckte die Hände aus wie ein verstörter Dirigent, dessen Orchester außer Rand und Band geraten ist.
    Callahan legte eine Hand auf seine Schulter. »Ben -«
    Ben floh.
    Er stolperte die Treppe hinauf, fiel, kroch dem Licht entgegen. Die Schrecken der Kindheit und des erwachsenen Mannes waren eins geworden. Wenn er zurücksähe, würde er Hubie Marsten (oder vielleicht Straker) sehen, mit einem Grinsen auf dem aufgedunsenen grünlichen Gesicht, den Strick tief im Hals eingegraben – Ben stieß einen schwachen Schrei aus.
    Von weither hörte er Callahan rufen: »Nein, laßt ihn gehen -«
    Ben taumelte durch die Küche zur Tür, fiel zwei Stufen hinab und lag im Gras. Mühsam richtete er sich auf und warf einen Blick zurück.
    Nichts.
    Das Haus lag ruhig da, das Böse war gegangen. Jetzt war es nichts als ein Haus.
    In der großen Stille des von Unkraut überwucherten Hinterhofes stand Ben Mears, den Kopf zurückgeworfen, und holte tief Atem.
    Im Herbst senkt sich die Nacht auf besondere Weise über Lot.
    Die Sonne verliert ihren Einfluß auf die Luft, die kalt wird und somit daran erinnert, daß der Winter herannaht. Es wird ein langer Winter sein. Dünne Wolken bilden sich, und die Schatten werden länger. Sie haben nicht die Kraft der Schatten des Sommers; es gibt keine Blätter mehr an den Bäumen, oder gewaltige Wolken am Himmel, die breite und kräftige Schatten werfen. Dürr und mittelmäßig sind die Schatten, die sich wie mit Zähnen im Erdboden festbeißen.
    Wenn sich die Sonne dem Horizont nähert, vertieft sich ihr freundliches Gelb und beginnt zu kränkeln, bis es als entflamm-tes Orange herabglänzt. Dann entfaltet sich ein mehrfarbiges Glühen, ein Gewebe aus Wolken, das abwechselnd rot, orange, zinnober oder purpurn leuchtet. Manchmal

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