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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Nolly.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hm«, sagte Nolly, der im Augenblick nicht wußte, was er sagen sollte. Parkins war immer schon verschlossen gewesen, aber das war ein neuer Rekord. Nolly schaute noch einmal durch das Fernglas: keine Veränderung.
    »Die Stadt ist recht ruhig heute«, bemerkte Nolly.
    »Ja«, erwiderte Parkins. Seine blaßblauen Augen blickten zum Park hinüber. Straße und Park waren verlassen. Auffallend wenig Mütter, die ihre Kinder spazieren führten. Auffallend wenig Passanten.
    Als letzten Ausweg versuchte es Nolly mit einem Gesprächsthema, das Parkins niemals ablehnte: mit dem Wetter. »Wolken ziehen auf«, sagte Nolly. »Vielleicht kommt Regen.«
    Parkins studierte den Himmel. »Ja«, sagte er und warf den Zigarettenstummel weg.
    »Park, geht es dir nicht gut?«
    »Nein«, sagte Park.
    »Was, zum Teufel, ist mit dir los?«
    »Ich glaube«, sagte Gillespie, »daß ich eine Scheißangst hab'.«
    »Was?« stotterte Nolly. »Wovor?«
    »Weiß nicht«, sagte Parkins und griff wieder nach dem Fernglas. Während Nolly sprachlos neben ihm stand, begann Parkins von neuem das Marstenhaus zu betrachten.
    Jetzt waren sie im ehemaligen Weinkeller. Überall standen kleine und große verstaubte Fässer herum. Hubert Marsten mußte wohl ein Schnapsbrenner gewesen sein, dachte Ben. Eine Wand wurde von einem kreuzförmig angelegten Weinregal eingenommen, und mehrere alte Flaschen lugten aus den sechseckigen Öffnungen hervor. Einige von ihnen waren zersprungen, unddort, woeinmal Champagner auf den feinen Gaumen irgendeines Kenners wartete, hatte nun die Spinne ihr Netz gezogen. Andere Weine hatten sich offensichtlich in Essig verwandelt, was an dem scharfen Geruch zu erkennen war, der die Luft erfüllte und sich mit einer Ahnung langsamer Fäulnis vermischte.
    »Nein«, sagte Ben ganz ruhig, wie man eine Tatsache mitteilt, ich kann nicht.«
    »Sie müssen«, sagte Pater Callahan. »Ich will nicht behaupten, daß es leicht ist. Aber Sie müssen es tun.«
    »Ich kann nicht«, schrie Ben, und die Kellerwände warfen das Echo seiner Worte zurück.
    In der Mitte des Raumes lag Susan Norton auf einem erhöhten Podium, still und bewegungslos. Ein weißes Leinentuch bedeckte sie von den Schultern bis zu den Füßen. Niemand hatte ein Wort hervorgebracht, als sie Susan sahen. Erstaunen hatte ihnen die Sprache geraubt.
    Im Leben war Susan ein fröhliches Mädchen gewesen, nicht eben schön zu nennen, aber hübsch. Jetzt war sie schön. Von einer dunklen Schönheit.
    Der Tod hatte sie nicht gezeichnet. Ihre Wangen waren rosig, die Lippen leuchtend rot, ihre langen Wimpern warfen Schatten auf die milchweiße Haut. Aber es war eine kalte, fremde Schönheit, und etwas in ihrem Gesicht erinnerte Jimmy an jene jungen Mädchen in Saigon, die nachts in den dunklen Alleen vor den Soldaten knieten.
    Callahan trat einen Schritt vor und legte seine Finger auf Susans linke Brust. »Hier«, sagte er, »das Herz.«
    »Nein«, wiederholte Ben. »Ich kann es nicht.«
    »Seien Sie ihr Liebhaber«, flüsterte Pater Callahan. »Seien Sie ihr Gatte. Sie werden sie nicht verletzen, Ben, Sie werden sie befreien. Der einzige, der da verletzt wird, sind Sie selbst.«
    Ben sah Callahan ausdruckslos an. Mark hatte den Pfahl aus Jimmys schwarzer Tasche genommen und hielt ihn wortlos hin.
    Ben schien es, als müßte er die Hand meilenweit ausstrecken.
    Vielleicht, wenn ich nicht denke, während ich es tue –
    Aber es war unmöglich, nicht daran zu denken. Und plötzlich fiel ihm eine Zeile aus Stokers ›Dracula‹ ein, jener amüsanten Schauergeschichte, die ihn nun nicht mehr im geringsten amüsierte. Es war, was Van Helsing zu Arthur Holmwood sagte, als Arthur sich mit derselben schrecklichen Pflicht konfrontiert sah: Wir müssen einen bitteren Weg gehen, bevor wir ein süßes Ende erreichen.
    Würde es jemals ein »süßes Ende« geben?
    »Nehmt den Pfahl weg«, stöhnte er. »Zwingt mich nicht, das zu tun –«
    Keine Antwort.
    Er fühlte, wie kalter Schweiß über seinen Augenbrauen, aus seiner Wange und seinen Händen hervorbrach. Der Pfahl war noch vor vier Stunden ein einfacher Baseballschläger gewesen.
    Ben hob den Pfahl und preßte ihn oberhalb des letzten Blusenknopfes an Susans Brust. Die Spitze rötete ihre Haut, und Ben spürte, wie sein Mundwinkel unkontrollierbar zu zucken begann.
    »Sie ist nicht tot«, sagte er. Seine Stimme war heiser und rauh.
    Es war seine letzte Verteidigungslinie.
    »Nein«, sagte Jimmy unerbittlich.

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