Brennen Muss Salem
reißen die Wolken in große, langsam dahinziehende Fetzen auseinander und lassen Strahlen des Sonnenlichts hindurch, Strahlen, die den vergangenen Sommer zu einer bitteren Nostalgie machen.
Es ist achtzehn Uhr, die Zeit des Abendbrotes. Mabel Werts setzt sich zu einer Hühnerbrust und einer Tasse Tee, das Telefon in Griffweite. Bei Eva versammeln sich die Pensionäre; zu Corned beef aus der Büchse, zum Fernseh-Dinner, Spaghetti oder aufgewärmten Hamburgern. Eva sitzt im ersten Zimmer und spielt verärgert mit Grover Verrill Rummy. Niemand kann sich erinnern, sie jemals so nervös und so kurz angebunden erlebt zu haben. Aber sie wissen alle, was mit ihr los ist, auch wenn sie selbst es nicht weiß.
Mr. und Mrs. Petrie sitzen in der Küche, essen belegte Brote und versuchen, aus dem Anruf klug zu werden, den sie soeben von einem katholischen Geistlichen erhalten haben: »Ihr Sohn ist bei mir. Es geht ihm gut. Ich bringe ihn bald nach Hause.
Adieu.« Die Petries überlegen, ob sie Parkins Gillespie verständigen sollen, beschließen aber, lieber noch eine Weile zu warten.
Delbert Markey, der Besitzer von Dell's, arbeitet sich methodisch durch fünf Hamburger, die er eigenhändig am Grill zubereitet hat. Er ißt sie mit Senf und einem Berg von Zwiebeln und wird sich dann die ganze Nacht darüber beklagen, daß seine Verdauung ihn zugrunderichte. Pater Callahans Haushälterin, Rhoda Curless, ißt nicht. Sie macht sich Sorgen um den Pater, der irgendwo unterwegs ist.
Harriet Durham ißt mit ihrer Familie Schweinskoteletts.
Carl Smith, seit 1957 Witwer, sitzt vor einer gekochten Kartoffel und einer Flasche Bier. Die Familie Derek Boddins verzehrt gekochten Schinken mit Karfiol. Pfui Teufel, sagt Richie Boddin, der geschlagene Rauferkönig, Karfiol. Du ißt das auf, oder ich werde dir den Hintern versohlen, sagt Derek. Auch er haßt nämlich Karfiol.
Reggie und Bonnie Sawyer verzehren ein Stück Roastbeef mit Pommes Chips und einen Schokoladepudding zum Nachtessen.
Das ist Reggies Lieblingsmenu. Bonnie, deren blaue Flecken allmählich verschwinden, serviert mit niedergeschlagenen Augen. Reggie ißt mit ernster Konzentration und spült die Mahlzeit mit drei Flaschen Bier hinunter. Bonnie ißt stehend, weil ihr das Sitzen immer noch weh tut. Sie hat nicht viel Appetit, ißt aber dennoch, damit es Reggie nicht auffällt und damit er keine Bemerkungen macht. Nachdem er sie in jener Nacht windelweich geschlagen hatte, warf er alle ihre Medikamente in die Toilette und vergewaltigte sie. Seither vergewaltigte er sie jede Nacht.
Ein Viertel vor neunzehn Uhr sind die meisten Mahlzeiten vertilgt, die meisten Zigaretten und Pfeifen geraucht, die meisten Tische abgeräumt. Geschirr wird gewaschen, Kinder werden ins Bett gesteckt oder vor den Fernsehschirm geschickt.
Gegen neunzehn Uhr wird der Horizont im Westen zu einer orangeroten Linie, als türmten sich Hochofenfeuer am Rand der Welt. Im Osten sind bereits die ersten Sterne aufgegangen.
In dieser Jahreszeit sind sie hart und mitleidslos, kein Trost für Liebende. Sie leuchten in schöner Gleichgültigkeit.
Für die Kleinen ist es Zeit zum Schlafengehen. Eltern lächeln über die Bitten, noch aufbleiben zu dürfen oder das Licht brennen zu lassen; gutmütig öffnen sie Schranktüren, um zu beweisen, daß niemand dahinter ist.
Und überall um sie herum erhebt sich auf dunklen Schwingen das nächtliche Grauen. Die Zeit der Vampire ist angebrochen.
Matt döste vor sich hin, als Jimmy und Ben hereinkamen. Fast augenblicklich war Matt wach, und seine Hand schloß sich enger um das Kreuz, das er in der Rechten hielt.
Sein Blick ging zu Jimmy, dann zu Ben ... und blieb haften.
»Was ist geschehen?«
Jimmy berichtete. Ben schwieg.
»Ihre Leiche?«
»Callahan legte sie mit dem Gesicht nach unten in eine Kiste, die im Keller stand; vielleicht war es dieselbe, in der Barlow in die Stadt kam. Vor einer Stunde warfen wir sie, mit Steinen beschwert, in den Royal River. Wir nahmen Strakers Auto.
Wenn es jemand an der Brücke stehen sieht, wird man es mit ihm in Verbindung bringen.«
»Gut gemacht. Wo ist Callahan? Und der Junge?«
»Sie sind zu Marks Haus gegangen. Seine Eltern müssen informiert werden. Barlow hat seine Drohung ausdrücklich gegen sie gerichtet.«
»Werden sie den beiden glauben?«
»Wenn nicht, wird Mark seinen Vater veranlassen, hier anzurufen.«
Matt nickte. Er sah sehr erschöpft aus.
»Ben«, sagte er, »kommen Sie her. Setzen Sie sich auf mein
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