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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Fast überhaupt nicht. Schau her, du Trunkenbold, ich gehe jetzt diese schöne weiße Linie entlang, genau bis zu dem Licht am Ende.
    Callahan war ein gewichtiger Dreiundfünfzigjähriger. Sein Haar war silbrig, seine Augen waren von einem wunderbar aufrichtigen Blau (nun freilich waren sie von winzigen roten Äderchen durchzogen), umgeben von typisch irischen Lachfältchen. Ein entschlossener Zug um den Mund, noch entschlossener das Kinn mit dem Grübchen. Wenn Callahan morgens in den Spiegel sah, dachte er mitunter, daß er mit sechzig sein Priesterdasein aufgeben und nach Hollywood gehen sollte, um dort Spencer Tracy darzustellen.
    Er bückte sich hinab zum Whiskyfleck, warf einen Blick darauf, las die Gebrauchsanweisung auf dem Flaschenetikett und goß zwei Verschlußkappen voll E-VAP darüber. Der Fleck verfärbte sich sofort weiß und begann zu schäumen. Callahan starrte etwas verstört auf diesen Vorgang und zog nochmals die Gebrauchsanweisung zu Rate.
    »Auf wirklich schwierige Flecken«, las er laut mit seiner kraftvollen und melodiösen Stimme, die ihn in seiner Pfarre nach den endlos langen, mit locker gewordenem Gebiß vorge-tragenen Predigten des alten Pater Hume so beliebt bei seiner Gemeinde machte, »sieben bis zehn Minuten lang einwirken lassen.«
    Er ging hinüber zum Fenster seines Arbeitszimmers, das auf die Elm Street hinaussah und den Blick auf die St. Andrews-Kirche auf der gegenüberliegenden Seite freigab.
    Schon gut, dachte er. Hier bin ich also, am Sonntag, des Nachts, und schon wieder betrunken.
    Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt.
    Wenn man langsam trank und dabei arbeitete (während der langen, einsamen Abende arbeitete Pater Callahan an seinen Aufzeichnungen. Er arbeitete schon seit sieben Jahren daran, und es sollte ein Buch über die katholische Kirche in Neu-England werden. Hin und wieder vermutete er jedoch, daß er dieses Buch nie vollenden werde können), so bemerkte man eben kaum, wie man allmählich immer betrunkener wurde.
    Man konnte seine Hand dazu erziehen, nicht zu bemerken, wie
    das Gewicht der Flasche zusehends abnahm. Tatsache war jedoch, daß seine Aufzeichnungen und sein Hang zum Alkoholismus zur selben Zeit begonnen hatten. (Genesis 1,1: »Im Anfang war der Scotch, und Pater Callahan sagte: Es werde ein Buch!«)
    Meine letzte Beichte liegt schon mindestens einen Tag zurück.
    Es war dreiundzwanzig Uhr dreißig. Als Callahan zum Fenster hinaussah, war es draußen stockfinster. Nur die Straßenbe-leuchtung durchbrach die Dunkelheit und bildete vor der Kirche einen Lichtkegel, in den nun alsbald Fred Astaire hineintanzen konnte, mit Zylinder, Smoking, Gamaschen und weißen Schuhen, um sein Stöckchen durch die Luft zu wirbeln. An seiner Seite wird Ginger Rogers steppen, und Fred wird nach der Melodie des ›Kozmic E-VAP-Blues‹ mit ihr Walzer tanzen.
    Callahan preßte die Stirn an das Glas. Die Züge seines schö
    nen Gesichts, das in gewisser Hinsicht auch sein Fluch war, verzerrten sich zu von Mühsal gezeichneten Falten.
    Ich bin betrunken, und ich bin ein miserabler Priester, mein Vater.
    Mit geschlossenen Augen konnte er die Düsternis des Beichtstuhls sehen, konnte fühlen, wie seine Finger das Fenster zu-rückschoben, und wie sich der Schleier über den Geheimnissen des menschlichen Herzens lüftete. Er konnte den Firnis und die alten Samtpolster auf den Betstühlen förmlich riechen, und den Schweiß alter Männer; er schmeckte Spuren von alkalischen Salzen in seinem Speichel.
    Vergib mir, Vater.
    (Ich habe das Auto meines Bruders zuschanden gefahren, ich habe in Mrs. Sawyers Fenster gestarrt, als sie sich gerade auszog, ich habe gelogen, ich habe betrogen, ich bin obszönen Gedanken nachgehangen, ich habe meine Frau geschlagen, ich, ich, ich, ...)
    Denn ich habe gesündigt.
    Er öffnete die Augen und stellte fest, daß Fred Astaire noch immer nicht erschienen war. Um Mitternacht vielleicht. Die Stadt schlief. Außer -.
    Er schaute hinauf. Ja, dort brannte noch Licht.
    Er dachte an die kleine Bowie - nein, McDougall hieß sie jetzt -, als sie mit ihrer kurzatmigen kleinen Stimme bekannte, sie habe ihr Baby geschlagen. Als er sie fragte, wie oft, konnte er fühlen (er konnte es geradezu hören), wie ihr Gehirn auf vollen Touren arbeitete und aus einem Dutzendmal fünfmal machte,
    und aus hundertmal ein Dutzend. Traurige Rechtfertigung für ein menschliches Wesen. Er hatte einst das Baby getauft. Randall Fratus McDougall. Gezeugt auf den Hintersitzen von

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