Brennen Muss Salem
Royce McDougalls Auto, wahrscheinlich während einer Spätvorstellung im Autokino. Armes, schreiendes kleines Ding. Er hätte gerne gewußt, ob Bowie ahnte, daß er am liebsten mit beiden Händen durch das Beichtgitter gegriffen hätte, um die Seele auf der anderen Seite zu packen, wie sehr sie sich auch wand und drehte, um sie zusammenzuquetschen, bis sie schrie.
Deine Buße sind sechs Hiebe auf den Kopf und ein ordentlicher Tritt in den Hintern. Steh auf und sündige nicht mehr.
»Einfältig«, sagte er.
Aber da war mehr als nur Einfalt in diesem Beichtstuhl. Es kam nicht von selbst, was ihn so krank machte und ihn in die Arme jenes ständig größer werdenden »Clubs der vereinigten katholischen Schnapspriester und Ritter der Whiskyflasche«
trieb. Es war die Monotonie der Seelsorgearbeit, die den Pendelzug mit all seiner Last an läßlichen Sünden in Richtung Himmel antrieb. Es war die Erkenntnis des Bösen durch eine Kirche, die sich mehr denn je mit sozialen Übeln befaßte. Da war die Buße für rosenkranzbetende ältere Damen, deren Eltern noch aus Europa gekommen waren. Da war die Allgegenwart des Bösen im Beichtstuhl, so wirklich wie der Geruch der alten Plüschpolster. Aber da war auch ein gesichtsloses, undefinierbares Böses, das weder Gnade noch Entrinnen kannte. Die Faust im Gesicht des Babys, der mit einem Klappmesser aufgeschlitzte Autoreifen, die Wirtshausrauferei, die in den Weihnachtsäpfeln versteckten Rasierklingen, abgeschmackte Zeichen dessen, was der menschliche Geist mit seinen unerforschlichen Möglichkeiten alles auskotzen kann. Meine Herrschaften, nicht wahr, bessere Gefängnisse werden die Situation ändern. Bessere Polizisten. Bessere Fürsorgestellen. Bessere Geburtenkon-trolle. Bessere Sterilisationstechniken. Bessere Abtreibungen.
Meine Herren, wenn wir diesen Fötus, dieses blutige Gewirr von Armen und Beinen stückweise aus dem Mutterleib heraus-holen, dann wird er niemals heranwachsen und eine alte Lady mit einem Hammer erschlagen. Meine Damen, wenn wir, nicht wahr, diesen Mann auf den elektrischen Stuhl setzen und grillen, wie ein Schweinskotelett im Mikrowellenherd, dann wird er sicherlich keinen kleinen Jungen mehr zu Tode quälen.
Landsleute, wenn das Rassenhygienegesetz durch ist, dann kann ich euch garantieren, daß ihr nie wieder -.
Scheiße.
Die Wahrheit seines Zustands war Callahan seit einiger Zeit zunehmend klarer geworden, etwa seit drei Jahren. Diese Erkenntnis hatte an Sicherheit gewonnen, wie das Bild aus einem Filmprojektor, das so lange adjustiert wird, bis jede Linie klar erkennbar und scharf ist. Er hatte sich nach einer Herausforderung gesehnt, wie sie jene progressistischen Priester hatten: Rassendiskriminierung, Emanzipation, die Schwulenbewegung; Armut, Krankheit, Kriminalität. Sie verursachten in Callahan ein schlechtes Gefühl. Die einzigen sozial engagierten Priester, mit denen er sich geistig verbunden fühlte, waren jene gewesen, die sich militant gegen den Vietnamkrieg gestellt hatten. Nun, da ihr Engagement nicht mehr notwendig war, saßen sie herum und diskutierten über Friedensmärsche wie alte Ehepaare über ihre Hochzeitsreise. Aber Callahan gehörte weder zu den progressistischen Priestern noch zu den reaktionären. Er fand sich mit der Rolle eines Traditionalisten ab, der den Grundlagen seiner Existenz mißtraute. Er wollte eine Division in der Armee anführen, aber in wessen Armee? Gott, Recht, Tugend, das meinte dasselbe - im Kampf gegen das radikal Böse. Er wollte Befehle und Schlachtpläne, er hatte es satt, in der Kälte vor den Supermärkten zu stehen und Flugblätter über den Salatboykott und den Weintraubenstreik zu verteilen. Er wollte dem radikal Bösen entgegentreten, ihm seine Tarnkappe herunterreißen, jeden Zug seines Antlitzes klar erkennen. Er wollte seinen Kampf mit dem radikal Bösen aufnehmen, Körper an Körper, wie Muhammed Ali mit Joe Frazier gekämpft hatte oder Jakob mit dem Engel. Er wollte einen fairen Kampf, unbehindert von aller Politik, die ihr Mäntelchen nach dem Wind richtete. All das wollte er, seit er Priester geworden war, und diese Berufung hatte ihn mit vierzehn Jahren getroffen, als er sich für den heiligen Stephanus begeistert hatte, den ersten christlichen Märtyrer, der gesteinigt worden war und im Angesicht des Todes Christus erblickt hatte. Der Himmel war eine schwache Belohnung, verglichen mit dem Kampf - und vielleicht auch dem Untergang im Dienste des Herrn.
Aber es gab keine
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