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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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Zärtlichkeiten nur über mich ergehen zu lassen. Am liebsten hätte ich ihn gebeten aufzuhören, aber ich hatte ihn schon drei Wochen lang vertröstet und eine Ausrede nach der anderen vorgeschoben – ich hatte Kopfschmerzen, ich hatte meine Periode, ich hatte Krämpfe, ich war müde. Ich hatte ihn schon so lange nicht mehr an mich herangelassen, daß ich das Gefühl hatte, nicht nein sagen zu können. Es war keine angenehme Erfahrung. Ich versuchte, etwas Begeisterung aufzubringen, aber da war einfach nichts. Ich fühlte mich wie die sprichwörtliche Ehefrau, die gesagt bekommt, es gehöre zu ihren ehelichen Pflichten, hin und wieder den lustvollen Forderungen ihres Ehemannes nachzugeben. Ian wußte, daß ich keine Lust hatte, und gab sich die größte Mühe, mich zu erregen. Seine Aktivitäten hätten normalerweise ausgereicht, um jeden hormongesteuerten Impuls zu aktivieren, aber diesmal rührte sich in meinem Körper überhaupt nichts. Reglos lag ich da, die Hände an den Seiten. Schließlich stellte er seine Bemühungen ein. Er stieg einfach auf mich und fickte mich wütend, bahnte sich seinen Weg mit Gewalt, auch wenn ich mich nicht wehrte. Ich wehrte mich
überhaupt nicht. Ich lag einfach da und ließ ihn gewähren. Ich fragte mich, warum mich seine grobe Art nicht erregte, wie die von M. es tut. Ich hoffte nur, daß er bald fertig sein würde. Nicht einmal in seiner Wut besitzt Ian gebieterische Präsenz.
    Ich stehe auf, streife mir ein langes blaues T-Shirt über und gehe in die Küche. Ian sitzt am Tisch und blickt auf, als ich hereinkomme.
    »Es tut mir leid«, sagt er bloß.
    Seufzend lasse ich mich ihm gegenüber nieder. »Wieso? Es war meine Schuld.«
    Er senkt den Blick und schüttelt den Kopf. Nervös zupft er an seiner Unterlippe herum. Dann nimmt er meine Hand. Ohne etwas zu sagen, streichelt er meinen Handrücken. Es ist eine schwierige Situation für ihn. Er ist ein so sanfter Mensch. Ich weiß, daß er das Gefühl hat, mich vergewaltigt zu haben, aber so war es nicht. Ich höre einen Wagen um die Ecke biegen und die Straße hinunterfahren.
    Schließlich sagt er: »Es tut mir leid. Ich wußte, daß du nicht mit mir schlafen wolltest, aber ich habe es trotzdem getan, und das war nicht richtig von mir.« Die Worte kommen langsam und zögernd heraus, und ich höre seine Qual. »Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun soll, Nora. Das ist mit der Zeit so frustrierend. Du willst mir nicht sagen, was eigentlich los ist. Du läßt nicht zu, daß ich dir helfe.« Er schweigt einen Augenblick, dann fährt er fort: »Ich möchte nicht, daß so etwas noch einmal passiert. Ich kann mich selbst nicht ausstehen, wenn ich mich so aufführe.«Wieder schweigt er. »Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns nicht mehr sehen würden.«
    Ich höre Ian reden, spüre, wie er meine Hand berührt, aber es ist, als wäre er sehr weit weg. Seine Präsenz in meinem Leben nimmt immer weiter ab. Nicht seine körperliche Präsenz, die ist noch da, aber ich fühle mich ihm nicht mehr verbunden. Meine Schuldgefühle drängen ihn von mir weg. Ich
werde von meinem schlechten Gewissen aufgefressen: weil ich Franny vernachlässigt habe, weil ich sexuell auf M. anspreche und weil ich Ian betrüge. Mein Leben ist von Schuldgefühlen geprägt, sie beherrschen jede meiner Handlungen. Ich habe zwei Männer und zwei Leben. Beide sind grundverschieden, aber dennoch so untrennbar miteinander verbunden wie ein Spiegelbild mit dem Gegenstand, den es reflektiert. M. ist meine Traumwelt, Ian die Realität. Aber die Grenze verwischt zunehmend. Ich sehe vom Spiegel zum Gegenstand und habe Schwierigkeiten, beides auseinanderzuhalten. M. wird immer mehr zu meiner Realität. Ian ist noch da, aber in meinen Gedanken verblaßt er mehr und mehr. Ich will das nicht. Ich führe ein Doppelleben, und das Leben, das ich behalten möchte, mein Leben mit Ian, ist in Auflösung begriffen. M. gewinnt zunehmend Macht über mich.
    Ich knie mich neben Ian auf den Boden. Ich lege den Kopf auf seine Knie. »Verlaß mich nicht«, sage ich so leise, daß meine Worte kaum zu hören sind. Er beugt sich zu mir herunter, um mich besser zu verstehen.
    »Ich brauche dich«, erkläre ich ihm. »Es wird nicht immer so sein wie jetzt. Gib mir Zeit.«
    Insgeheim aber glaube ich selbst nicht, daß die Zeit unser Problem lösen wird. Ich gerate immer mehr in M.s Bann, seine Macht über mich wird mit der Zeit nicht schwächer, sondern stärker. Offenbar bin ich nicht in

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