Brennende Fesseln
sagte, hielt sie ab. Sie kam zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten hierher, ohne daß ich sie darum gebeten hatte, und flehte mich an, ihr noch eine Chance zu geben und wieder mit ihr zu schlafen. Es wurde mir einfach zuviel. Schließlich kam mir der Gedanke, daß ich sie vielleicht zur Vernunft bringen konnte, indem ich die Sache auf die Spitze trieb und sie zwang, die wenigen Dinge zu tun, die sie mir verweigert hatte. Vielleicht würde sie dann endlich einsehen, daß wir nicht zusammenpaßten. Daß ich der falsche Mann für sie war. Ich packte einige Sachen in einen schwarzen Matchsack und fuhr zu ihrer Wohnung hinüber. Es war mein erster Besuch dort. Sie war sonst immer zu mir gekommen. Ich befahl ihr, sich auszuziehen und auf den Boden zu legen. Dann nahm ich das Klebeband aus der Tasche.«
Er starrt nachdenklich an die Decke. Nach ein paar Sekunden spricht er weiter. Seine Stimme ist jetzt leiser. »Klebeband ist normalerweise nicht zum Fesseln von Menschen gedacht. Die Sorte, die ich verwendet habe, klebt besonders fest. Es ist sehr schmerzhaft, wenn man das Zeug wieder von der Haut reißt, aber ich wollte ihr eine Lektion erteilen. Ich habe erst
ihre Handgelenke gefesselt und das Klebeband dann um den Fuß der Couch gewickelt. Als nächstes habe ich ihre Fußgelenke aneinandergeklebt. Ich zog ein Skalpell aus der Tasche und legte es der Länge nach auf ihren Bauch. Ich erklärte ihr, daß ich verschiedene Muster in ihren Bauch ritzen würde. Ich hatte das schon einmal gemacht, auf ihrem Hintern, wie du ja aus dem Video weißt, aber danach hatte sie sich immer geweigert, sich schneiden zu lassen. Sie hatte Angst vor dem Messer. Wie dem auch sei, ich glaubte, es würde ausreichen, das Messer auf ihren Bauch zu legen. Ich dachte, sie würde schon beim Anblick des Messers klein beigeben. Aber dem war nicht so. ›Tu es, Michael‹, sagte sie. ›Dann weißt du endlich, wie sehr ich dich liebe.‹ Auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißperlen. Sie hatte Angst, aber sie würde nicht klein beigeben – nicht, wenn sie tatsächlich der Überzeugung war, daß sie mich auf diese Weise dazu bringen konnte, sie zu lieben. Ich klebte ihr den Mund zu und begann mit dem Schneiden. Erst ritzte ich eine Raute um ihren Nabel. Trotz des Klebebandes war ihr Stöhnen deutlich zu hören. Ich riß das Band von ihrem Mund und fragte, ob sie genug habe. Sie schüttelte den Kopf, erklärte, sie würde alles tun, wenn ich nur bei ihr bliebe. Also klebte ich ihr den Mund wieder zu und begann von neuem zu schneiden. Andere Formen, Kreise, Quadrate, Sterne, jede Menge Linien und – ja, auch das – einen durchgestrichenen Kreis. Tränen strömten ihr übers Gesicht. Sie schrie erbärmlich, auch wenn ihre Schreie durch das Klebeband nur gedämpft zu hören waren. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben. Zweimal riß ich ihr das Band vom Mund, um sie zu fragen, ob ich aufhören solle. Beide Male antwortete sie: ›Ich liebe dich. Ich werde dich nie gehen lassen.‹ Es war zum Verrücktwerden. Wer hätte gedacht, daß Franny, die ängstliche Franny, zu solchem Starrsinn fähig war? Und zu solcher Verzweiflung?«
M. schweigt. Ich denke an das, was er vor langer, langer Zeit zu mir gesagt hat. Nicht Neugier, sondern Starrsinn hat
der Katze das Leben gekostet. Eine Lektion, die Franny nie gelernt hat. Er dreht den Kopf zur Seite und reibt seine Stirn an seinem ausgestreckten Arm. Der leere Blick seiner Augen sagt mir, daß er an jenen Tag denkt. Vor seinem geistigen Auge sieht er Franny noch einmal dort liegen. Mein Magen verkrampft sich, und ich merke, daß ich die Hände zu Fäusten geballt habe und meine Knöchel weiß hervortreten. Ich sehe Frannys Bild ebenfalls vor mir, aber alles, was ich tun kann, ist dastehen und zuhören.
»Wie dem auch sei, das Ganze war ziemlich blutig, aber die Schnitte waren nicht tief – und sie wollte mich einfach nicht bitten aufzuhören. Schließlich holte ich eine Schock-Box aus meinem Matchsack. Das ist eine Art handbetriebener Generator. Ich hatte ihn mir mit der Post schicken lassen. Sie hatte das Ding schon einmal gesehen und mich darüber reden hören. Elektrofolter. Ich hatte das schon seit Monaten an Franny ausprobieren wollen, aber sie hatte Angst vor Strom, noch mehr als vor dem Schneiden, und hatte sich beharrlich geweigert. Ein letztes Mal riß ich ihr das Klebeband vom Mund. Sie weinte, war fast schon hysterisch. Die Tränen liefen ihr über die nassen Wangen. Ich wartete, bis sie sich
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