Brennende Fesseln
die ich von Franny gemacht habe – die im Schweinestall und alle anderen –, wirst du nicht finden. Als ich in der Zeitung von ihrem Tod las, habe ich sie alle vernichtet. Da ich kein Alibi habe, hielt ich es für besser, sie nicht im Haus herumliegen zu lassen.« Er zögert nur den Bruchteil einer Sekunde, um meine Reaktion zu beobachten, ehe er den Raum verläßt. Im Gehen ruft er mir zu, daß ich abschließen soll, wenn ich das Haus verlasse, und fügt noch hinzu, daß er mich anrufen wird, wenn er mich wiedersehen will.
Ich höre, wie seine Schritte sich entfernen. Nach einer Weile
höre ich die Haustür auf- und wieder zugehen. Ich stehe auf und ziehe M.s braunen Bademantel mit dem eingestickten Monogramm an. Barfuß gehe ich ins Wohnzimmer hinüber und spähe aus dem Fenster. Ich sehe ihm nach, bis er seinen Wagen aus der Garage gefahren hat und die Straße hinaufbraust.
Ich überlege, wo ich anfangen soll, und entscheide mich für das Arbeitszimmer. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und entdecke über dem Schreibtisch das Entermesser aus dem Zweiten Weltkrieg, das M.s Vater gehörte. Ich streiche mit dem Finger über die Klinge. Sie ist immer noch scharf, bereit zum Einsatz. Ich durchsuche seinen Schreibtisch und seine Bücherregale, finde aber nichts. In einem Schränkchen neben seinem Videorecorder entdecke ich schließlich eine Sammlung von Videos, deren Titel nach Porno klingen, und einen Stapel Pornohefte. Rasch blättere ich die Zeitschriften durch. Nichts, was ich nicht schon mal gesehen hätte. Die Gästezimmer und Wäscheschränke sind ebenfalls bar jeden Beweismaterials.
Ich betrete sein Schafzimmer. In einem der Nachtkästchen neben dem Bett entdecke ich eine Sammlung von Sexspielzeug: Vibratoren, Schwanzringe, Clips, Gleitmittel, Massageöl, Dildos, Brustringe und -klammern in verschiedenen Größen – also wieder nichts Ungewöhnliches. Auch seine Kommode durchsuche ich vergeblich. Unter seinem Bett ist ebenso wenig zu entdecken wie im Bad; lediglich seine Schlaftabletten finde ich im Medizinschränkchen. Ich betrete seinen begehbaren Schrank, schalte das Licht an und durchsuche seine Sachen. Der Mann ist sehr ordentlich. Die Hemden hängen alle in dieselbe Richtung, mit der Vorderseite nach Westen. Alles ist nach Farben sortiert, die Schuhe stehen aufgereiht wie Kadetten, die auf die Inspektion warten. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Paaren sind exakt gleich, und alle Schuhe sind auf Hochglanz poliert. Ich sehe in
jedes Regalfach, spähe in jede Schachtel – noch mehr Hemden und Pullis und Schuhe, alles sauber weggepackt. Ich hole mir den zusammenklappbaren Tritthocker, den ich in der Küche gesehen habe, und trage ihn in den Schrank, damit ich auch die oberen Fächer inspizieren kann. Im obersten Fach sehe ich es dann, versteckt hinter Stapeln von Schuhkartons und Einkaufstüten voller alter Handtücher: einen großen Plastikbehälter von der Größe eines Koffers. Ich hieve ihn herunter, trage ihn zum Bett hinüber und mache ihn auf. Es liegen Lederriemen und Gurte darin, ein Riemengeschirr aus Leder, Fesseln, Seile in verschiedenen Längen, eine Peitsche und eine Reitgerte, Handschellen und Fußketten, ein mit Nieten besetztes Lederhalsband, einen Ping-Pong-Schläger und verschiedene andere Utensilien und Gerätschaften, deren Verwendungszweck ich mir beim besten Wille nicht vorstellen kann. Und, in einer Ecke, der Rest einer Rolle Klebeband.
Plötzlich wird mir übel. Mein Kopf dröhnt von dem vielen Alkohol, den ich gestern abend getrunken habe. Ich schließe die Augen und sehe wieder Franny vor mir, wie sie damals in der Leichenhalle lag. Fünf Tage nachdem man ihre Leiche entdeckt hatte. Im Film sieht man immer einen der Hinterbliebenen einen stahlgrauen Korridor entlanggehen, um die Leiche im Leichenschauhaus zu identifizieren. Nicht so im wirklichen Leben. Bei einem Mordfall dürfen die Angehörigen die Leiche erst sehen, wenn sie zur Bestattung freigegeben ist.
Und die genauen Umstände ihres Todes, die in einem Film ebenfalls längst bekanntgegeben worden wären, erfuhr ich erst zwei Monate später. Anfangs wußte ich nur, daß es sich um Mord handelte, die Todesursache aber nicht exakt festzustellen war. Der Coroner, der die Ermittlungen leitete, die Leute von der Gerichtsmedizin, die Kripobeamten, sie alle sagten, daß es den Erfolg ihrer Ermittlungen gefährden würde, wenn sie zu dem Zeitpunkt mehr Informationen preisgäben. Die Verwalterin von
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