Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
Vom Netzwerk:
über ein Experiment, eine Zellkultur in einer Petrischale. »Und das findest du nicht berechnend, oder wie? Du hast sie manipuliert!« bringe ich schließlich heraus.
    »Natürlich«, antwortet M. »Das habe ich nie bestritten.« »Und so etwas findest du unterhaltsam?« Ich klinge ungehalten. Entnervt massiere ich meine rechte Schläfe. Wie konnte Franny bloß an diesen Mann geraten? »Du hast sie benutzt  – darauf läuft es doch hinaus.«
    »Ja, aber du solltest das nicht so entrüstet sagen. Ich habe ihr gegeben, was sie brauchte. Sie wollte einen Freund, jemanden, der sie trotz ihres Umfangs und ihrer langweiligen Art liebte. Daß sie fett und langweilig war, läßt sich nun mal nicht bestreiten. Lieben konnte ich sie nicht, aber ich konnte mit ihr schlafen. Und ich konnte ihr das Gefühl geben, begehrt zu werden. Ich habe ihr das Gefühl vermittelt, daß ich mit ihr zusammensein wollte.« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Das ist mehr, als du je getan hast, Nora. Du hast sie einfach ignoriert. Das war viel grausamer.«
    Das hat gesessen. Mir wird schmerzhaft bewußt, daß er recht hat. Zu ihm aber sage ich: »Und dann hast du dich einfach von ihr getrennt. Als du genug hattest, hast du sie weggeschickt.«
    »Mir war von Anfang an klar, daß das mit deiner Schwester
nichts auf Dauer war. Ich bin selbst überrascht, daß es so lange gedauert hat. Menschen sind ersetzbar, Nora. Das habe ich dir schon mal gesagt. Sie haben ein Verfallsdatum, eine begrenzte Lebensdauer. Gerade du müßtest das doch verstehen. Vergiß nicht – Franny hat mir alles über dich erzählt. Ich weiß, was du magst und was du nicht magst. Ich kenne deine Vergangenheit. Und ich wette, ich kenne auch deine Zukunft. Ich kenne dich. Du wechselst deine Männer genauso schnell wie ich meine Frauen. Und…«
    »Das stimmt nicht«, sage ich. »Nicht mehr.«
    »… und außerdem«, fährt M. fort, ohne auf meinen Einwand zu achten, »hast du vorhin selbst gesagt, daß sie nicht mein Typ war. Ich mochte sie, und das wußte sie auch, aber ich habe sie nicht geliebt, und das habe ich ihr gegenüber auch nie behauptet. Ich habe ihr nie etwas versprochen. Ich habe mir von Franny geholt, was ich wollte – und ich habe ihr gegeben, was ich ihr geben konnte.«
    Wieder muß ich an die Männer in meinem Leben denken. Auch ich habe mir genommen, was ich wollte, und gegeben, was ich konnte – nein, genaugenommen habe ich ihnen so wenig gegeben, wie ich nur konnte. »Du hast ihr das Herz gebrochen«, sage ich und denke an die Männer, denen ich so leichtfertig den Laufpaß gegeben habe.
    Seine Stimme ist plötzlich weicher. »Es war ihr Glück, daß ich sie habe gehen lassen. Ich hätte sie nur immer noch weiter getrieben.«
    Ich denke an den Schweinestall und den Behälter in seinem Schrank. Ich denke an Frannys Tagebucheintragungen, die, obwohl sie so bruchstückhaft sind, immer angstvoller klingen, je mehr sie sich ihm unterworfen hatte. »Wieviel weiter hätte sie noch gehen können?« frage ich.
    Die Frage ist rhetorisch. Ich erwarte gar nicht, daß er mir darauf eine Antwort gibt, aber er sieht zu mir herüber und sagt: »Du bist gerade dabei, das herauszufinden.«

    Ein Gefühl des Unbehagens beschleicht mich. »Wie meinst du das?« frage ich.
    Er ignoriert mich.
    Wir haben inzwischen das Tal verlassen und fahren durch die Gebirgsausläufer auf die weißen, schneebedeckten Gipfel zu. Der Regen wird heftiger. In großen Bogen zischen die Scheibenwischer über die Windschutzscheibe. M. wirkt nachdenklich. Schließlich sagt er: »Ich nehme an, ich habe ihr tatsächlich das Herz gebrochen. Aber das hat sie nur stärker gemacht. Sie hätte bestimmt einen anderen gefunden. Sie hätte es überlebt.«
    »Wenn sie die Chance gehabt hätte, überhaupt weiterzuleben.«
    Er seufzt. Sofort nimmt sein Gesicht einen entnervten Ausdruck an. »Geht das schon wieder los? Willst du zum hundertsten Mal wissen, ob ich nicht nur ihr Herz, sondern auch ihren Körper auf dem Gewissen habe? Als sie getötet wurde, hatte ich sie schon wochenlang nicht mehr gesehen, Nora. Ich hatte Schluß gemacht. Warum hätte ich zurückkommen und sie umbringen sollen? Warum hätte ich ihren Tod wünschen sollen?«
    »Ich habe den Behälter in deinem Schrank gesehen. Ich weiß, was du ihr angetan hast. Du genießt den Schmerz – den Schmerz anderer Menschen. Ich glaube, du bist ein Beherrschungsfetischist, der selbst die Beherrschung verloren hat. Du bist zu weit gegangen. Du

Weitere Kostenlose Bücher