Brennende Finsternis - Carriger, G: Brennende Finsternis - Changeless
tätowierter Oktopus.
Lady Maccon runzelte die Stirn, ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass ihre Hand immer noch auf der Haut der anderen Frau ruhte. Wo hatte sie dieses Symbol schon einmal gesehen? Unvermittelt erinnerte sie sich. Ihre Hand zuckte, und nur schiere Charakterstärke hinderte sie daran, entsetzt zurückzuschrecken. Sie hatte diesen Oktopus in Messing graviert immer wieder überall im Hypocras Club gesehen, unmittelbar nachdem Dr. Siemons sie entführt hatte.
Unangenehmes Schweigen folgte. »Sind Sie sicher, dass Sie sich wohlfühlen, Madame Lefoux?«, fragte sie schließlich, weil ihr nichts Besseres einfiel.
Die Erfinderin deutete den ununterbrochenen Körperkontakt falsch und wandte Alexia das Gesicht zu, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Zärtlich strich sie mit der Hand über Alexias Arm.
Lady Maccon hatte gelesen, dass Französinnen ihre freundschaftliche Zuneigung viel mehr durch körperliche Gesten zum Ausdruck brachten als britische Frauen, doch diese Berührung hatte etwas unerträglich Intimes. Und ganz gleich, wie gut Madame Lefoux duftete und wie hilfreich sie sich gezeigt hatte, da war dieser Oktopus an ihrem Hals. Dieser Frau war nicht zu trauen. Der Kampf gerade hätte fingiert sein können. Sie konnte einen Komplizen an Bord haben. Sie konnte auch immer noch eine Spionin sein, die darauf aus war, die Aktentasche der Muhjah mit allen Mitteln an sich zu bringen. Alexia entzog sich der streichelnden Hand.
Daraufhin erhob sich die Erfinderin. »Sie sollten mich nun entschuldigen. Vermutlich können wir beide ein wenig Ruhe gebrauchen.«
Beim Frühstück am nächsten Morgen wirkten alle wieder ganz normal, mit blauen Flecken und überkandidelten Hüten. Miss Hisselpenny erwähnte Alexias Luftschiffakrobatennummer mit keinem Wort, denn sie hielt es für über die Maßen beschämend, dass ihre Freundin dabei ihre Unterhosen zur Schau gestellt hatte. Madame Lefoux war makellos, wenn auch gewohnt unpassend gekleidet, und auch sie zeigte so viel Anstand, jede Bemerkung über die luftige Eskapade des vergangenen Abends zu vermeiden. Sie erkundigte sich liebenswürdig nach Tunstells Befinden, und sie erhielt darauf von Alexia eine recht erfreuliche Antwort. Felicity war wie immer garstig und gehässig, aber sie war ja, seit sie sprechen gelernt hatte, eine akustische Beleidigung für jedes andere Ohr. Es war also, als wäre nichts Ungewöhnliches vorgefallen.
Lady Maccon rührte ihr Essen kaum an, nicht aus Sorge, jemand könnte noch einmal versuchen, sie zu vergiften, sondern weil sie sich immer noch ein wenig luftkrank fühlte. Sie sehnte sich danach, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
»Wie sehen Ihre Pläne für heute aus, Lady Maccon?«, fragte Madame Lefoux, als alle anderen höflichen Nettigkeiten erschöpft waren.
»Mir schwebt vor, diesen Tag faulenzend in einem Liegestuhl an Deck zu verbringen, nur unterbrochen von kleinen, aber anregenden Spaziergängen auf dem Schiff.«
»Famoser Plan«, entgegnete Felicity spitz.
»Ja, Schwester, aber ich werde in diesem Liegestuhl mit einem aufgeschlagenen Buch sitzen und nicht mit einem überheblichen Ausdruck im Gesicht und einem Spiegel in der Hand«, schoss Alexia zurück.
Felicity lächelte sie freudlos an. »Wenigstens habe ich ein Gesicht, das es wert ist, betrachtet zu werden.«
Madame Lefoux wandte sich an Ivy. »Sind die beiden immer so?«
Miss Hisselpenny hatte mit verträumtem Blick ins Leere gestarrt. »Was? Ach, die. Ja, schon seit ich sie kenne. Was inzwischen eine halbe Ewigkeit ist. Ich will sagen, Alexia und ich sind nun schon seit über vier Jahren befreundet, stellen Sie sich vor!«
Die Erfinderin aß von ihrem dampfgegarten Ei und antwortete nicht.
Lady Maccon wurde bewusst, dass sie sich durch das Gezanke mit ihrer Schwester nur der Lächerlichkeit preisgab. »Madame Lefoux, was haben Sie eigentlich gemacht, bevor Sie nach London kamen? Wie ich hörte, lebten Sie in Paris. Hatten Sie dort auch einen Hutladen?«
»Nein, aber meine Tante. Ich arbeitete für sie. Sie hat mir alles beigebracht, was ich weiß.«
»Alles?«
»O ja, alles .«
»Eine bemerkenswerte Frau, Ihre Tante.«
»Sie machen sich ja keine Vorstellung.«
»Muss wohl an dem Übermaß an Seele liegen.«
»Oh.« Ivy war fasziniert. »Wurde Ihre Tante nach dem Tod gespenstisch?«
Madame Lefoux nickte.
»Wie schön für Sie!«, beglückwünschte Ivy sie lächelnd.
»Ich nehme an, dass ich am Ende auch zu
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