Brennende Finsternis - Carriger, G: Brennende Finsternis - Changeless
drein wie der junge Mann vor Kurzem.
Alexia nickte. »Ja, ich glaube, das solltest du besser.«
Tunstell nahm Miss Hisselpennys Zurückweisung nicht gut auf, und das in großer schauspielerischer Manier. Er inszenierte einen spektakulären Anfall tiefer Depression und versank dann für den Rest des Tages in schweigsames Schmollen. Aufgelöst kam Ivy zu Alexia gelaufen. »Oh, er war so schrecklich missvergnügt! Und das geschlagene drei Stunden lang. Könnte ich denn nicht nachgeben, nur ein klein wenig? Er erholt sich möglicherweise nie mehr von diesem Herzensleid!«
Worauf Alexia entgegnete: »Gib ihm mehr Zeit, meine liebe Ivy. Ich denke, du wirst sehen, dass er am Ende doch darüber hinwegkommt.«
In diesem Augenblick kam Madame Lefoux herbei. Als sie Miss Hisselpennys niedergeschlagene Miene bemerkte, fragte sie: »Ist etwas geschehen?«
Ivy stieß ein jämmerliches kleines Schluchzen aus und vergrub das Gesicht in einem rosaseidenen Taschentuch.
»Miss Hisselpenny war gezwungen, Mr. Tunstell abzuweisen«, raunte Alexia mit gedämpfter Stimme. »Sie ist äußerst aufgewühlt.«
Madame Lefoux’ Gesicht nahm einen angemessen ernsten Ausdruck an. »O Miss Hisselpenny, das tut mir leid. Wie fürchterlich für Sie!«
Ivy wedelte schwach mit dem nassen Taschentuch, als wollte sie sagen: Worte können meine tiefe Seelenqual nicht einmal annähernd zum Ausdruck bringen . Und dann – denn Ivy begnügte sich nie mit bedeutsamen Gesten, wenn verbale Ausschmückungen den Effekt noch verstärken konnten – sagte sie: »Worte können meine tiefe Seelenqual nicht einmal annähernd zum Ausdruck bringen.«
Alexia tätschelte ihrer Freundin die Schulter und wandte sich wieder an die Französin. »Madame Lefoux, dürfte ich Sie um ein Wort unter vier Augen bitten?«
»Ich stehe Ihnen jederzeit zu allem zur Verfügung, Lady Maccon.«
Alexia machte sich über die mögliche Bedeutung dieser Aussage keine näheren Gedanken.
Die beiden Frauen begaben sich außer Hörweite von Miss Hisselpenny in eine verschwiegene Ecke des Erholungsdecks, heraus aus der allgegenwärtigen Ätherbrise, die sich für Alexia leicht kribbelnd anfühlte, beinahe wie aufgeladene Teilchen. Sie stellte sich die Äthergase wie eine Wolke Glühwürmchen vor, die dicht über ihrer Haut schwirrten und dann davonstoben, wenn das Luftschiff, von einer starken Strömung getrieben, andere kreuzte. Es war nicht unangenehm, wirkte allerdings ein wenig ablenkend.
»Wie ich hörte, hatten Sie am gestrigen Abend nach unserer kleinen Eskapade noch einen Streit«, sagte Lady Maccon, ohne lange um den heißen Brei herumzureden.
Madame Lefoux spitzte die Lippen. »Möglicherweise habe ich den Steward wegen seiner Nachlässigkeit angeschrien. Er ließ sich unentschuldbar viel Zeit, diese Strickleiter zu besorgen.«
»Der Streit wurde auf Französisch geführt.«
Darauf gab Madame Lefoux keine Antwort.
Lady Maccon wechselte die Taktik. »Warum folgen Sie mir nach Schottland?«
»Sind Sie so davon überzeugt, dass Sie es sind, der ich folge, meine liebe Lady Maccon?«
»Ich glaube kaum, dass Sie ebenfalls eine plötzliche Leidenschaft für den Kammerdiener meines Mannes entwickelt haben.«
»Nein, damit haben Sie recht.«
»Also?«
»Ich stelle keine Gefahr für Sie oder die Ihren dar, Lady Maccon. Ich wünschte, Sie würden mir das glauben. Aber ich kann Ihnen nicht mehr dazu sagen.«
»Das reicht mir nicht. Sie verlangen von mir, dass ich Ihnen ohne triftigen Grund vertraue.«
Die Französin seufzte. »Ihr Seelenlosen seid so überaus logisch und praktisch veranlagt, dass es einen in den Wahnsinn treiben kann.«
»Darüber beklagt sich mein Gatte ebenfalls. Ich schließe daraus, dass Sie schon einmal Bekanntschaft mit einem Außernatürlichen gemacht haben?« Wenn sie die Erfinderin schon nicht dazu bewegen konnte, ihr den Grund für ihre Anwesenheit zu erklären, dann gelang es ihr vielleicht, etwas mehr über die Vergangenheit dieser geheimnisvollen Frau zu erfahren.
»Einmal, vor sehr langer Zeit. Ich denke, davon könnte ich Ihnen erzählen.«
»Nun?«
»Ich traf ihn bei meiner Tante, als ich vielleicht acht Jahre alt war. Er war ein Freund meines Vaters – ein sehr guter Freund, wie mir zu verstehen gegeben wurde. Die Ehemalige Beatrice ist der Geist der Schwester meines Vaters. Mein Vater selbst hatte etwas von einem Filou. Ich wurde nichtehelich geboren, und als man mich auf seiner Türschwelle ablegte, gab er mich in die Obhut von Tante
Weitere Kostenlose Bücher