Brennende Hunde
selbst, denn die Wirklichkeit stand einem im Weg wie ein kosmisches
Stoppschild. Selbst er, ausgestattet mit einem Körper von zweihundert Kilo und
einem Geist, der gegen vieles gefeit war, wurde von brennenden Zweifeln
geplagt. Seine Gefühle überrollten ihn oft wie ein Bus. Ja, zu leben war
tatsächlich kostbar und gut, doch war dieses Leben weder sinnvoll noch
unsinnig, sondern schmerzhaft neutral. Ob er den Leib Sui Lees oder den von
Lilith besuchte, war letztlich ohne Bedeutung. Weil die Liebe an sich
bedeutungslos war. Sie suchte sich bloß ihren Weg, wie das Wasser es tut. Sie
floß. Sie gebar neues Leben. Doch es gab keinen Plan, nur zufällige
Kausalitäten in einem zufällig entstandenen Spiel. Auch die Erkenntnisse aus
dem Gespräch mit Riley zeugten davon, wie plump und zufällig alles im Universum
geschah. Doch immerhin hatte Dess von ihm einige höchst interessante Dinge
erfahren. Dinge, die ihm zeigten, daß die Menschheit noch immer ein Bakterium
war, das sich stets aufs neue mit sich selbst infizierte, nur um eines nicht
allzufernen Tages in einer großen Implosion unterzugehen.
Wie Dess hatte sich auch Riley so seine Gedanken gemacht.
Wie hing Izzy mit der ganzen Sache zusammen? Eine gute Frage, die Dess nun
endlich zu klären gedachte. Riley hatte ihm erzählt, daß Izzy Goodlight ursprünglich
aus Pensacola, Florida, stammte. Eine Tante von ihm, bei der er aufgewachsen
war, lebte immer noch dort. Wie Dess herausfand, hieß diese Tante Karen Levant
und wohnte passenderweise in einem Viertel, das Hidden Hills genannt wurde. Ein
schlechtes Versteck. Als Polizeibeamte der alten Lady einen Besuch abstatteten,
wurden sie fündig. Izzy Goodlight schlief friedlich in seinem alten Zimmer.
Jetzt, in diesem Augenblick, befand er sich auf dem Weg nach L.A..
***
Der Rücken war von tiefen, blutigen Striemen gezeichnet.
Wieder und wieder sausten die ledernen Riemen der Peitsche auf das unter dem
Schmerz zuckende und rebellierende Fleisch.
„Herr, vergib mir meine Sünden und all meine Zweifel. Ich
weiß, ich bin Deiner nicht würdig!“ murmelte Floyd in einer Kette nicht abreißender
Wiederholungen vor sich hin.
Nackt kniete er auf dem gefliesten Boden des Kellers,
halb delirierend vor dunkler Lust und Ekstase. Der in ihm wohnende Gott war
Zuflucht, aber auch Drangsal, dräuendes Unheil und schwärendes Rätsel. Jede
menschliche Sünde erschuf ihn aufs neue, nährte seine Kraft, berief seine
Macht.
Endlich ruhte die Hand, deren Finger den Schaft der
Peitsche umfaßten. Im Herzen des Schmerzes nistete schweigsam die Ruhe. Im
Garten der Seele aber sangen lärmend sterbende Vögel aus Glas. Zu lange hatte
er sich der Kasteiung entzogen, zu sehr seine Auserwähltheit als
selbstverständlich genommen.
Floyd erinnerte sich.
„Du bist unrein. Das Auge des Herrn blickt mit Verachtung
auf dich herab.“
Mit einem Nicken des Kopfes bedeutete Ernest Peterson
Floyd seinem Sohn, sich zu entkleiden und niederzuknien.
„Zeige Ihm, der über uns ist, daß du fähig bist zu Demut
und Schmerz.“
Brennend regneten die ledernen Riemen auf den Rücken des
Elfjährigen nieder. Tief gruben sich seine Zähne ins Beißholz. Leide und bete.
„Groß und wunderbar sind Deine Werke, o Herr, Du allmächtiger
Gott“, hörte James seinen Vater, und die Riemen zischten herab. „Hoch ist Dein
Thron in den Himmeln, und Deine Macht und Güte und Barmherzigkeit sind über
allen Bewohnern der Erde.“
„Dreizehn“, zählte der Junge.
„Und weil Du barmherzig bist, Herr, wirst Du nicht
zulassen, daß die zugrunde gehen, die zu Dir kommen und beten.“
Vierzehn. Bei neunzehn verließ den Jungen die Kraft. Er
wurde bewußtlos.
Auch die sonntäglichen Worte des Priesters kehrten,
fauchend wie Katzen, in Floyds Gedächtnis zurück: „Und es wird viele geben, die
sprechen: ,Iß und trink und sei lustig. Gott wird es schon rechtfertigen, wenn
man eine Sünde begeht.’ Ja, es wird ihrer viele geben, die falsche und törichte
Lehren predigen. Sie tragen den Hals starr und das Haupt erhoben. Wegen
Greueltaten und Hurerei sind sie irregegangen. Wie blinde Nattern sind sie,
böse und falsch. Doch seien sie gewarnt. ,Wehe, weh ihnen!’ spricht der Herr, ,denn
ich will unter den Guten etliche auswählen, die ihnen begegnen und meine Strafe
an ihnen vollziehen.’“
Eines Freitags kehrte der Junge aus der Schule zurück.
Statt der Mutter erwartete sein Vater ihn auf der Veranda, den Geist Gottes im
Blick. Der Junge
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