Brennende Kontinente
Gesichts und ein Paar heller Augen hinter dem Schleier zu erkennen. Es konnte sich alles Mögliche hinter dem Stoff verbergen, ohne dass man es sah. Merkwürdigerweise musste er an einen Geist denken. Elenja zeigte auf den Palestaner. »Däʹkay, lasst auch ihn zu mir bringen. Gebt ihnen etwas gegen die Temperaturen im Freien. Ich benötige sie lebend. Es bleibt Euch immer noch genügend Beifang für Euren eigenen grausamen Spaß, hoffe ich.« Sie eilte an Torben vorbei hinaus in die Kälte.
Sotinos wurde neben Torben geschoben, gemeinsam verließen sie die Lagerhalle. Ihre Begleiter warfen ihnen stinkende alte Mäntel über, die mit großen braunen, getrockneten Flecken übersät waren. Den Vorbesitzern waren sie augenscheinlich mit Gewalt genommen worden. »Ich weiß noch nicht, ob ich Euch danken soll oder nicht, Rudgass«, murmelte er auf dem Weg durch die verschneiten Straßen. Sein Atem driftete als weißes Wölkchen davon.
»Solange wir am Leben sind, kann es nur besser werden«, erwiderte Torben und schwieg, weil ihm einer der Tzulandrier die Faust in den Nacken hieb.
Unterwegs begegneten ihnen regelrechte Ströme von Tzulandriern, die in die Häuser einrückten. Die Luft füllte sich mehr und mehr mit dem Geruch von Holzfeuern, die verwaiste Stadt erhielt ihr Leben zurück.
Torben versuchte, nicht an das Schicksal der verschleppten Frauen zu denken ‐ und scheiterte. Er war beinahe froh, Varia nicht unter den Entführten gesehen zu haben. Ungewissheit bedeutete auch immer Hoffnung, dass das Schlimmste nicht eingetreten war.
Sie wurden in ein großes Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stadttor gebracht, dessen Fenster hell erleuchtet waren. Ein Tzulandrier öffnete eine breite Bodenklappe abseits der Eingangstür, die nach unten führte und durch die gewöhnlich Vorräte und Kohlen in den Keller geschafft wurden.
Sotinos und Torben stiegen die schmale Treppe hinab, und
schon wurde die Klappe über ihnen zugeworfen. Es fehlte weniger als eine Dochtdicke, und sie hätte den Palestaner am
Kopf getroffen.
Schweigend standen sie im Dunkel; es war warm, roch nach erdigen Süßknollen und reifen Äpfeln.
»Ertasten wir unsere Umgebung«, empfahl Torben und begab sich mit ausgestreckten Händen auf Erkundung. Er stieß tatsächlich auf einen Berg Süßknollen, fand viele Gläser und befingerte ein Regal, als es hinter ihm mehrmals klackte und plötzlich hell wurde.
»Ich habe eine Lampe entdeckt«, grinste Sotinos, der den Docht entzündet hatte. Der helle Schein tanzte über die blanken Wände, beleuchtete randvolle Vorratsregale und eine äußerst stabile Eichentür, durch die es dem ersten Anschein nach kein Entkommen gab. »Sieht gar nicht gut aus.« Er betastete die Bohlen. »Seid Ihr firm im Schlösserknacken?«
»Üblicherweise habe ich eine Mannschaft für so etwas, die gleich die ganzen Türen knackt und sich nicht mit Schlössern aufhält«, gab Torben zurück und setzte sich, nahm sich einen Apfel und warf auch Sotinos einen zu. »Wenigstens haben wir etwas zu essen. Und es ist wärmer als in der Scheune.«
Sie verzehrten jeder einige Äpfel und hingen ihren Gedanken nach, die sich um zwei Frauen drehten: Varia und Elenja.
»Wir werden fliehen«, sagte Torben nach seinem fünften Apfel und sehnte sich nach einem Grog und einem ordentlichen Stück Fleisch. »Ihr müsst aus Borasgotan entkommen und die anderen Königreiche warnen. Am besten geht Ihr zu König Perdor.«
»Und Ihr werdet versuchen, Varia zu befreien.« Es war nicht schwer, die Gedankengänge zu erraten.
»Dabei kann ich dass ich ein guter Fechter bin, auf den Ihr schwerlich verzichten könnt.« Er warf den abgenagten Apfel zur Seite, zog den Mantel mit einer ruckartigen, energischen Bewegung enger um sich. »Darüber wird nicht verhandelt.«
Torben grinste. »So, wie Ihr das eben sagtet, klangt Ihr wie ein Rogogarder an Deck eines geenterten Palestanerschiffes.«
Sotinos schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln, das Wissen, eine Spur von Hohn und Spaß in sich barg. »Nachdem wir geklärt haben, was wir als Nächstes tun, kommen wir zur Umsetzung unserer Vorhaben.« Er blickte sich betont langsam im Keller um. »Wie entkommen wir? Und vor allem: Wo ist Eure Gefährtin abgeblieben?« Er gab sich Mühe, das Schwanken in seiner Stimme zu verbergen. Seine Lüge verunsicherte ihn, denn die Geschichte, dass er Varia bei den Tzulandriern gesehen habe, war erstunken und erlogen, wenn auch für einen guten Zweck: um dem
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