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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Schleier wurde durch das Licht, das von außen herein fiel, durchsichtig. Dieses Mal glaubte er, eine wie von Fäulnis zersetzte Nase zu erkennen und zu sehen, dass von den Lippen sowie von der rechten Wange Hautfetzen weg standen. Ihn überlief ein eisiges Schaudern.
    »Auch wenn Ihr krank und entstellt seid, ich schrecke nicht davor zurück. Euch Gewalt anzutun, wenn Ihr mir nicht Auskunft über den Verbleib einer ganz bestimmten Frau gebt«, sprach er sie an und stellte sich vor sie. »Wenn Ihr schreit, töte ich Euch.«
    »Ihr enttäuscht mich nicht im Geringsten, Rudgass«, krächzte sie hinter dem Schleier hervor. »Ihr seid in der Tat so findig, wie ich es immer über Euch gehört habe. Und auch der Mut passt zu Euch. Ein bisschen zu viel Mut. Ihr hättet fliehen sollen, als Ihr und Euer Freund die Gelegenheit dazu hattet.«
    Torben beobachtete sie. Von einer Kabcara durfte man eine gewisse Selbstbeherrschung in Ausnahmelagen erwarten, doch dass Elenja derart ruhig blieb, schürte das ungute Gefühl, das er seit dem ersten Anblick empfand. Sie atmete wieder nicht. »Ich gehe erst, wenn ich weiß, wo meine Ge‐
    fährtin ist.« Er zeigte auf Sotinos. »Er hat sie gesehen. Sie war zunächst auf einem der tzulandrischen Schiffe, die zur Stadt segelten. Dann war sie verschwunden. Demnach steckt sie irgendwo bei Euch und wird gefangen gehalten.« Er trat dicht an sie heran. »Gebt sie frei und behaltet Euer Leben.«
    Elenja bewegte sich nicht. Diese statuenhafte Ruhe besaß mehr Wirkung als jedes Geschreie und jede Drohung. Es zeigte Überlegenheit, welche die Männer verunsicherte. Nach ihrem Plan hätte die »zarte Elenja« sofort jeder Forderung zustimmen müssen, anstatt kühl wie die Eiszapfen vor den Fenstern zu bleiben.
    Sotinos schaute sich in dem Zimmer um und arbeitete an
    einem neuen Plan.
    »Ich fürchte, Rudgass, Euer Freund Puaggi hat Euch belogen«, kam es nach langem Schweigen von ihr. »Außer
    Euch und ihm habe ich niemanden aus der Stadt mitgenommen.« Sie hob den Kopf. »Wie heißt sie, und wie sieht sie denn aus?«
    »Ihr Name ist Varia.« Rasch beschrieb er sie.
    Elenja nickte. »Dann werde ich sie bei den Tzulandriern suchen lassen, Kapitän, und gebe ihnen die Anweisung, sie noch härter als alle anderen Frauen zu behandeln.« Ein heiseres, boshaftes Lachen erklang.
    Torben packte sie bei den Schultern. Er wunderte sich noch, wie knochig ein menschlicher Körper sein konnte, als ihn das unsägliche Grauen packte.
    Niemals zuvor hatte er ein solches Gefühl empfunden, weder in einem tosenden Sturm noch auf dem Schlachtfeld. Ja, nicht einmal die Furcht um Varia reichte an diese Qual heran, die ihn lähmte und sein Herz schmerzen ließ.
    »Mir ist wieder eingefallen, wen Ihr meint. Sie wurde mir von den Tzulandriern überlassen, als Geschenk. Und ist in meinen Diensten.« Elenja glitt aus seinen verkrampften Fingern und stellte sich vor ihn. »Oder nein, wartet: Habe ich sie etwa doch bei mir?« Sie näherte sich seinem Ohr, spielte mit einer Bartsträhne. »Spürt Ihr meine Macht, Rudgass? Mit der gleichen Macht habe ich Eure Gefährtin in der Hand. Und sie tut alles, was ich ihr sage. Ihr ...«
    Sotinos stand unvermittelt neben ihr, schwang einen Kerzenständer und führte einen Hieb gegen ihren Kopf. Es knackte hörbar. Elenja wurde gegen den Stuhl geschleudert, stürzte darüber und fiel durch die Scheibe nach draußen.
    Schlagartig war die Angst aus Torben gewichen. Er sah die Absätze der Kabcara zusammen mit Teilen des Rahmens und dem Glas verschwinden. Gleich darauf erklangen der dumpfe Laut des Aufpralls und die Rufe der überraschten Knechte.
    »Ich hatte nichts anderes zur Hand«, meinte Sotinos entschuldigend und betrachtete den kantigen Fuß
    des Ständers. »Wir wissen, was wir wollten. Habe ich ihr nun das Genick oder den Schädel gebrochen?« Er dankte den Göttern stumm, dass sich Varia hier befand und aus seiner Lüge unvermittelt die Wahrheit machte. Jetzt war er sich sicher, dass ihr Abenteuer ein gutes Ende nahm.
    »Bei der Bleichen Göttin!« Torben riss sich zusammen, auch wenn seine Beine weich wie Meeresschlick waren. Was hat sie mit mir getan? In diesem Augenblick rannte die Zofe schreiend hinaus.
    Sotinos schwang sich auf das Fensterbrett. »Auf, Kapitän. Wir nehmen den gleichen Weg wie die Kabcara.« Er packte ihn am Ärmel und zerrte ihn zu sich. »Kommt zu Euch!«, rief er und sah, dass drei Leibwächter ins Zimmer rannten. »Wir sehen uns im Schnee.« Er stieß

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