Brennende Kontinente
hat sich sein Trinkgeld redlich verdient«, sagte er zu Lodrik, als der Abend hereinbrach. »Wenn es so weitergeht, sind wir in einem Tag in der Nähe der Stadt.« Er sah einmal mehr hinaus. »Das ist das Wäldchen, durch das wir geflüchtet
sind«, rief er und zeigte auf die Bäume. »Dahinter müsste ein
Hof liegen, und von dort ist es eine Tagesreise bis zur Stadt.« »Hervorragend.« Lodrik fühlte weder Aufregung noch
Angst noch Vorfreude auf die bevorstehende, hoffentlich
letzte Auseinandersetzung mit seiner Tochter.
Du hast den Kutscher getötet. Plötzlich erschien Soschas Seele als leuchtende Kugel neben ihm. Eine lautlose Unterredung zwischen den beiden begann.
Es blieb keine andere Möglichkeit. Sein Menschenleben bedeutet nichts. Warum verwundert es mich nicht, das von dir zu hören? Sie schwebte um ihn herum. Ab wann bedeuten dir Menschenleben etwas, Bardric? Beginnst du erst bei einhundert zu zählen?
Du weißt, was auf dem Spiel steht, Soscha. Du bist eines
ihrer Opfer.
Die Kugel hielt vor seinen Augen inne. Wie wirst du sie vernichten, Bardric? Kannst du sie einfach durch Grauen töten? Oder wie genau möchtest du gegen sie vorgehen? Hast du einen Vorschlag, Soscha!, fragte er zurück.
Ich? Nein. Aber ich werde dir beistehen, sie auszulöschen. Auch wenn mein Wissen um Magie kaum eine Rolle spielt. Seelenmagie funktioniert vollkommen anders. Die Kugel glitt zu Torben. Ich kann seinen Schmerz fühlen. Den Schmerz in seiner Seele.
Lodrik betrachtete die Kugel. Du machst demnach Fortschritte, was die Erforschung deines Zustandes angeht. Ich habe herausgefunden, wie ich einen Zugang zu den Lebenden herstelle. Das wirst du bald feststellen, es uns bei der Bekämpfung von Zvatochna helfen wird. Aber mir kann es schon bald von Nutzen sein. Sie schwebte zu ihm zurück. Bardric, hast du irgendeine Vorstellung, was mit Ulldart geschieht, wenn du versagst?
Ist das der Versuch eines drohenden Ansporns oder eine Frage?
Es ist meine Sorge um das Wohl derer, die hier leben. Sie sind von deinem Erfolg oder Misserfolg abhängig. Die Kugel senkte sich vor sein Gesicht, kam näher und näher. Wieso kann ich deine Empfindungen nicht spüren?
Lodrik hob die Mundwinkel, es sah spöttisch aus. Du wirst vorfliegen und die Stadt erkunden, zusammen mit der Seele des Kutschers, befahl er ihr. Ich möchte genau wissen, was vorgeht. Wie viele Tzulandrier dort sind und wo sich Zvatochna aufhält. Vergiss nichts. Davon hängt die Zukunft Ulldarts ab, wie du selbst sagtest.
Soscha wich zurück und bereitete sich vor, auf ihre Mission zu gehen. Es wäre unglaublich schön zu sehen, wenn ihr euch beide gegenseitig vernichtet, sagte sie zum Abschied und sirrte durch die Wand der Kutsche hinaus.
»Es gibt Schlimmeres, als sein Leben zu verlieren«, erwiderte Lodrik halblaut.
»Wie bitte?« Sotinos betrachtete ihn. »Nichts zu Euch, Puaggi. Ich habe lediglich meine Gedanken geordnet.«
Als sie den Wald durchquert hatten, trafen sie wirklich auf den Hof. Lodrik ließ die Kutsche darauf zuhalten und achtete nicht auf die Warnungen des Palestaners, dass man in ihm und Rudgass die entflohenen Gefangenen wieder erkennen könnte.
Bei ihrer Ankunft erwies sich die Sorge als unbegründet.
Der Hof war verlassen. Weder Knechte noch Soldaten befanden sich hier; die Tiere standen im Stall und warteten geduldig
auf die Rückkehr ihrer Besitzer.
Die Männer teilten sich auf und durchstreiften die eisigen Räume; bald versammelten sie sich wieder im Hauptraum.
Es roch nach Essen.
Torben hatte die Lethargie abgeschüttelt und den großen Kachelofen in Betrieb genommen, Wärme breitete sich aus. »Die Feuerstellen sind alle schon lange kalt«, sagte er munter. »Es war kein Funken Glut in dem Aschehaufen.« Er verschwand in der Küche und kehrte mit einer Pfanne voller ge‐
bratenen Süßknollen, Speck und Eiern zurück. »Sie haben uns Vorräte dagelassen, sodass ich etwas zum Essen bereiten konnte.«
Lodrik schätzte, dass der Freibeuter sich in einer der Hochphasen befand, von der Puaggi gesprochen hatte. Er wirkte sehr lebendig, fast sogar vergnügt.
»Die ganzen Sachen der Hofbediensteten liegen noch in den Schränken und Zimmern. Ebenso die dicken Mäntel und Umhänge«, fügte Sotinos das Ergebnis seiner Untersuchung hinzu. »Sie sind wie vom Erdboden verschluckt.« Er nahm sich eine der Gabeln, die Torben mitgebracht hatte, und aß. Lodrik schaute hinaus in den fallenden Schnee, der wie ein Vorhang vor dem Glas lag. Er
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