Brennende Schuld
Höhle beauftragt hat. Und das heißt dann wohl, dass er an der Esozon-Verschiebung beteiligt ist. Deswegen habe ich dich hergebeten, bevor ich Prats gleich auf der Taufe begegne. Ich möchte wissen, in welche Unternehmungen er verwickelt ist.«
»Ist aber mächtig dicker Tobak, wie?« Da Costa keine Anzeichen machte, dass er bereit war, wegen Prats’ hoher politischer Position nachzugeben, fuhr der Bischof mit sorgenvollem Gesicht fort. » Vale, mal sehen, was wir haben. Jaume Prats Cardona, am 6.6.1932 in Jesús geboren.« Er hielt das Blatt weiter von sich weg, dann gab er auf und fingerte in seinen Taschen nach der Lesebrille. »Wir werden alt, Vetter. Nächstes Jahr ist mein Vierundfünfzigster.«
Der Kellner brachte seine Bestellung. Rafal verschlang die dreieckige Hälfte des knusprigen Weißbrots mit einem Bissen. Kauend sprach er weiter. »Seinen Eltern gehörte die Apotheke an der Kirche, du weißt schon, diese schöne, mit den alten Möbeln, wo immer klassische Musik läuft. 1955 wurde er Mitglied der Berufsfeuerwehr, 1960 Brandmeister. Als Chef der Feuerwehr musste er auch Sprengungen beaufsichtigen. 1970 heiratete er die Witwe von Trasilio Sanchez. Das war eine ziemliche Unverfrorenheit, daran erinnere sogar ich mich noch, denn Sanchez war sein Freund und hat sich drei Monate vorher erhängt. Man hat sich jedenfalls ziemlich darüber mokiert, dass er das Trauerjahr nicht eingehalten hat. Über Frau Sanchez wurde fast noch mehr gelästert. Sie stand ebenfalls in schlechtem Licht, aber sie ist fünf Jahre später an Diabetes gestorben.«
Costa kannte den Bischof als großen Familienmann, und der Gedanke, dass eine – vielleicht sogar seine – Frau ein Trauerjahr nicht einhalten würde, empörte ihn natürlich. Dennoch konnte Costa die böse Bemerkung nicht unterdrücken, dass Selbstmord ja auch eine Sünde sei und die Ehefrau dann vielleicht von der Tradition eines Trauerjahres entbinde.
»Nun, die Sache war die, dass einige Leute Jaume Prats Mitschuld an dem Selbstmord gaben. Sie meinten, er hätte eine Rufmordkampagne gegen Sanchez verhindern können. Der Professor hat sich nämlich umgebracht, weil sein Ansehen völlig im Arsch war. Es gibt auch ganz böse Zungen, die behaupten, dass er das Unglück verursacht hat. In der Hoffnung, dass der Professor dabei hopsgehen würde. Sanchez war zwar sein Freund, aber Prats hatte ein heimliches Verhältnis mit dessen Frau. Er wollte sie haben und hat sie dann auch gekriegt.«
Langsam begriff Costa, dass Prats ein Mann war, der sich nahm, was er wollte. Mehr und mehr fügten sich die Teile zu diesem Bild.
Der Kellner servierte einen weiteren Kaffee mit Brandy. Der Bischof schlürfte daran in kleinen Schlucken, mit denen er seine Rede immer kurz unterbrach. »Prats’ politische Karriere begann 1976. In diesem Jahr trat er der rechtskonservativen Alianza Popular bei, gegründet von Manuel Fraga Iribarne, Minister in der Diktatur Francos. 1986 war er Gründungsmitglied der Partido Popular. 1990 wurde er Mitglied des Inselrats, 2001 Umweltschutzbeauftragter für Ibiza und Formentera. Das war alles, was auf die Schnelle ging. Willst du sonst noch etwas wissen?«
Costa nickte. »Was hältst du von ihm?«
Der Bischof schob die Unterlippe vor und dachte nach. Dabei aß er seinen vierten Toast, den der Kellner gerade gebracht hatte.
»Er ist ein Machtmensch, er kann austeilen, aber auch einstecken nach dem Motto: Von Katze zu Katze gibt es nichts als Hiebe mit der Tatze. Dein Onkel Cubano mag ihn nicht, weil er keinen Sinn für Humor hat. Andererseits ist er ihm egal. Josefa verachtet ihn wegen des Freundschaftsbruches an Sanchez. Mann, da fällt mir ein, du warst mit deinen Eltern doch auch auf der Beerdigung. Du warst noch klein und wirst dich vielleicht nicht erinnern, aber da war die Frau, die auf den Sarg gespuckt hat. Weißt du das noch?«
Costa schüttelte den Kopf. Außerdem war er im Moment zu sehr unter Zeitdruck, um über Kindheitserinnerungen nachzudenken.
»Und was hältst du von Campaña?«
»Campaña«, der Dicke drehte sich nach dem Kellner um, »Campaña ist ihm ähnlich. Die zwei verstehen sich wie Brüder.« Er gab dem Kellner ein Zeichen. »Du weißt, was ich meine. Zwei Kater, die ihr Revier abstecken. Campaña wird Bürgermeister von Sant Josep, und Jaume Prats stärkt dadurch seine Position in der Familie.«
»Und die Leibwächter, wie lange hat er die schon?«
»Seit einem halben Jahr ungefähr.«
Costa beugte sich vor: »Ich
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