Brennende Schuld
Keulemans steckt hinter allem, aber dann wurde er selbst umgebracht. Wäre ich nicht dabei gewesen, hätte es alles perfekt nach Unfall ausgesehen.«
Sie schwieg und fuhr. Costa wusste nicht, ob sie diese schweren Beschuldigungen gegen ihren Stiefvater hinnahm, ob sie das alles zu verstehen suchte oder ob sie einfach abgeschaltet hatte. Vor ihnen wurde ein Lieferwagen überholt, und sie musste langsamer fahren. »Da Sie nicht an Zufälle glauben, wie Sie vorhin gesagt haben: Waren Sie zufällig dabei, oder wussten Sie, dass auf Keulemans ein Anschlag geplant war?«, fragte sie schließlich.
»Ich wusste nichts davon. Im Gegenteil, ich war drauf und dran, ihn wegen Mordes zu verhaften. Aber auch damit lag ich falsch, wie ich anschließend von seiner Ehefrau erfuhr. Zum Zeitpunkt der Verbrechen hat er sich in Belgien aufgehalten. Wir haben das bei den Fluggesellschaften überprüft.«
»Was suchen Sie nun?«
»Wir suchen den, den wir Phönix nennen. Den, der hinter allem steckt. Der das Geschäft aufgebaut hat und jetzt die Mitwisser aus dem Weg schafft.«
»Sie meinen also, wenn ich Sie richtig verstehe, jemand zieht einen Medikamentenschmuggel auf, benutzt dazu Keulemans, seine illegalen Arbeiter, Ruben Cepera als Pilot und lässt sie dann alle töten, damit es keine Zeugen mehr für die Geschichte gibt?«
Er hatte Recht gehabt, sie war scharf im Denken, und das machte sie ihm sympathisch. In Wahrheit aber gefiel sie ihm nicht. Schon bei der ersten Begegnung in ihrer Wohnung war er von der für ihn unattraktiven und unwirschen Frau abgestoßen gewesen und hatte Karins Begeisterung für sie nicht verstehen können. Aber intelligente Menschen hatten seine Sympathie.
»Ich sage nicht, dass es so war«, brummte er, »ich sage nur, dass das eine Möglichkeit wäre.«
Sie bog jetzt Richtung Santa Inés ab und warf ihm dabei zugleich einen spöttischen Blick zu. Als er schwieg, sagte sie: »Um Keulemans zu erledigen, beauftragte er einen Brandstifter, heuerte den Pilot an, der unerkannt das Flugzeug von Ruben Cepero bestieg, tankte Kerosin und vernichtete Keulemans mit dieser riesigen Ladung von Flugbrennstoff. Jetzt sucht ihr den Pilot, um von ihm zu erfahren, wer der Auftraggeber und das Hirn hinter all dem ist. Ist es so?« Sie warf ihm wieder einen kurzen prüfenden Blick zu.
In der Schärfe und Kürze, mit der sie es darstellte, klang es alles vollkommen lächerlich und unwahrscheinlich. Costa grinste sie an und nickte.
Sie fuhr an den Straßenrand, hielt an und stellte den Motor aus. Als hätte sie ihren Ärger die ganze Zeit verborgen, sagte sie: »Sie sprechen von Jaume Prats, meinem Stiefvater. Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da reden? Er soll fünf Menschen umgebracht haben? Er mag als Politiker und auch als Mensch seine Schwächen haben, aber sieht er aus wie ein Serienkiller?«
Sie drehte den Zündschlüssel. »Wissen Sie eigentlich, was ein Phönix ist?« Costa fragte sich, ob sie hier stehen bleiben wollte.
»Der Phönix war der Stammvater aller Phönizier, der Vater von Kadmos und Europa. Er ist aus der Asche des Osiris hervorgegangen. Am Ende seines fünfhundertjährigen Lebens verbrennt er sich in der Glut der Morgenröte, um seinen Vater zu ehren. Aus den Flammen entsteht ein Ei, aus dem der Phönix schlüpft. Seine Farben sind Rot und Gold, die Farben des Feuers. Was soll das mit Jaume Prats zu tun haben?«
Costa gefiel diese Wendung nicht. Wie sollte er mit ihr die Tauffeierlichkeiten gut hinter sich bringen?
»Phönix, der Vogel des Feuers.« Er erinnerte sich, dass die Kinder am Strand den Namen gerufen hatten. »Wollen wir nicht mehr zur Taufe?«, fragte er.
Die Hochebene von Santa Inés lag vor ihnen. In der vor Hitze flimmernden Luft verschwommen die Umrisse der zerklüfteten Felsen, die der Gegend den Namen ›La Corona‹, die Krone, gegeben hatten. Es war eine der ursprünglichsten Gegenden Ibizas. Auf den Feldern wurde auch heute gearbeitet. Die Bauern, die ihre Esel immer noch den Maschinen vorzogen, hatten ihre Gründe, ohne das Wort pittoresk auch nur zu kennen: Die Tiere waren billiger im Unterhalt, und Strom gab es erst seit kurzem.
An der Tienda der Witwe Cardona kreuzte sich die Straße aus den Bergen mit der von Buscastell. Laureana bog links auf den schnurgeraden Weg nach Santa Inés ab. Geradeaus ging es zum Bauernhof von Costas Mutter, den sie, lange bevor es zum Trend auf der Insel geworden war, mit sechs Fremdenzimmern versehen als Hotel nutzte. Für den
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