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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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Prof. Dr. T. Sanchez stand an der Tür.
    Er klingelte, und erst nach einer ganzen Weile, er wollte schon wieder gehen, öffnete sich die Tür einen Spalt.
    Die Augen, die seinem Blick standhielten, waren klein und hart. Ihre Wimpern bewegten sich kaum.
    Die Frau hatte hervorstehende Backenknochen, und ihre Wangen wirkten fast hohl. Ihre Lippen aber waren groß und sinnlich. Ungewöhnlich für ein Gesicht mit dünnen Augenbrauen, gelblich papierener Haut und mattem Ausdruck. Hatte er sie geweckt? Costa war aus sengendem Licht und großer Hitze in das Haus getreten, doch nun begann er zu frösteln.
    Er hatte die Frau noch niemals gesehen. Kein Wiedererkennen, keine Erinnerung.
    »Teniente Costa, Guardia Civil«, sagte er. »Dr. Sanchez?«
    Als sie seine offizielle Bezeichnung hörte, belebte sich ihr Gesicht. »Polizei? Kommen Sie herein, bitte.« Als sie das Tuch, das ihren Hals verdeckte, zurückschlug, um ihn hereinzubitten, sah er ihren Silberschmuck, der in unregelmäßig geformten Ketten fast einen kleinen Panzer über ihrer Brust bildete.
    Der Hauptraum lag nach spanischer Art gleich hinter der Eingangstür und wurde von einem großen Esstisch beherrscht, um ihn herum standen acht Stühle mit hohen Lehnen in braunem Kunstleder.
    »Eine schöne Wohnung«, sagte Costa, um die seltsame Situation aufzulockern.
    »Deswegen sind Sie wohl nicht gekommen.«
    Auf einer Kommode befanden sich Ausgrabungsstücke. Sie waren nicht besonders ausgestellt, sondern waren da, weil es sie in diesem Haushalt gab, genau wie die Zierteller aus Porzellan mit Motiven aus Asturien und Andalusien auf dem Wandregal.
    Er beugte sich vor. Auf demselben Bord standen fünf kleine Figuren, Kinderspielzeug, seltsam gekrümmt, als würden sie sich vor Verzweiflung krümmen. Jedes Mal, wenn er hinsah, schien es ihm, als hätten sie sich bewegt.
    Er wies auf die Figuren: »Phönizisch?«
    Sie lächelte geheimnisvoll. Dann legte sie den Kopf schief: »Wie kann ich Ihnen helfen? Mit einem Kurs in ibizenkischer Geschichte?«
    Ursprünglich hatte er gedacht, sie als Freundin der Familie anzusprechen, doch ihr Tonfall brachte ihn davon ab. Er sah sie als die Erbin des großen Archäologen Sanchez, der in dieser Wohnung plötzlich so nah war. Costa nahm sich vor, später noch einmal nachzurechnen, wie lange das Unglück von Es Culleram eigentlich her war. Die fremdartigen Eindrücke, die Sätze und die Atemlosigkeit dieser Frau erstaunten ihn. Diese berühmte Wissenschaftlerin, die erreicht hatte, dass die phönizische Totenstadt zum Weltkulturerbe erklärt worden war, hatte er sich anders vorgestellt. Ihm fiel ein Gemälde auf, das zwischen zwei mit Büchern gefüllten Regalen eingequetscht war: Elissa, die Königin von Karthago, die vergeblich auf die Rückkehr des Aeneas wartet – ein Bild, das für ihn verknüpft war mit Geschrei, ersten geheimen Vorstellungen von Frauenkörpern und dem Geruch von Schulbrot und Kreide, denn es hatte im Klassenzimmer seiner Volksschule gehangen. Und so wie Elissa wirkte auch Señora Sanchez: Wie eine in ewiger Trauer um ihren verlorenen Geliebten eingeschlossene Jungfrau.
    »Es gibt etwas, das ich Sie gerne fragen möchte«, sagte er.
    Als hätte er bei ihr einen sehr empfindlichen Punkt getroffen, kam mit unterdrückter Wut: »Du bist gekommen, um nett zu mir zu sein.«
    Costa war perplex. Sie duzte ihn und machte sich über seine Höflichkeit lustig. Verwechselte sie ihn?
    »Ich habe Sie eben nicht richtig verstanden.«
    »Sie haben auch einen Vater gehabt, nicht wahr?«
    Er hatte die Luft angehalten, was ihn ärgerte, und sog sie jetzt hörbar ein.
    Sie nickte. »Mir raubt die Erinnerung daran auch die Luft.«
    »Mein Vater lebt noch«, sagte er.
    Sie neigte dazu, den Kontakt zum Gegenüber während einer Unterhaltung zu verlieren und ihn zu betrachten, als sei er einfach eine Skulptur. Costa hatte das gelegentlich bei Menschen beobachtet, die alleine lebten. Er nahm das gelassen hin und musterte sie ebenso. Sie war ungeschminkt. Ihre Haare waren fettig, straff zurückgekämmt und im Nacken als Knoten gehalten. Er spürte ihre Willensstärke und Zähigkeit und ahnte eine schwankende Gereiztheit. Ein Phänomen von Workaholics.
    Wahrscheinlich brauchte sie ihre berufliche Fixierung, von der Karin bewundernd gesprochen hatte, um sich zu stabilisieren.
    Der Wasserkessel pfiff. Sie entschuldigte sich. Er folgte ihr. Neben dem Gasherd stand ein mannshoher Fagor-Kühlschrank mit Chromgriff aus den Sechzigern.
    Die

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