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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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steckte sie sich ein rotes Band an die Uniform, wie das Fähnchen eines Banderillos beim Stierkampf, und niemand wusste, was es zu bedeuten hatte. Sie war auch mit Mädchen befreundet, die ebenfalls als schwierig galten. Natürlich waren sie nur lebenslustig oder ausdrucksstärker als andere, aber man hatte damals für so etwas nichts übrig. Sie schnatterte überall mit, war lustig und war immer die Anführerin einer kleinen, lärmenden Gruppe. Später, nach Trasilios Tod, hat sie sich völlig verwandelt. Sie gab nie mehr etwas von sich preis. Ihr Schweigen lähmte jede Spontaneität. Sie wusste sich Respekt und Ansehen zu verschaffen, aber es hatte etwas Unerbittliches. Ich erinnere mich, als ihre Mutter mich das letzte Mal besuchte, kurz vor ihrem Tod – wann war das? Sie ist fünf Jahre nach Trasilio gestorben, also 74 oder so. Sie musste schon lange irgendwelche Medikamente nehmen. Sie brachte Laureana mit. Sie war vierzehn und trug ein schwarzes ibizenkisches Kleid mit Schürze. Ihre Mutter wusste, dass Kinder mir immer eine gute Unterhaltung sind. Als sie hereinkam, legte sie ihre Hände auf Laureanas Schultern, steuerte sie auf mich zu und erwartete, dass das Kind vor mir einen Knicks machte. Die Kleine stand aber nur da und starrte mich an. Ich stellte ein paar Fragen, aber kein Wort kam über ihre Lippen. Sie ist doch immer so lebenslustig und bunt gewesen, sagte ich. Margarita lächelte sphinxhaft und sagte: Früher. Das Kind verzog das Gesicht, weil die Mutter ihre Schultern so fest hielt. Als Strafe. Ich forderte sie auf, das Kind gehen zu lassen und sich zu mir zu setzen. Als sie sich verabschiedete, rief sie ihre Tochter, die ein Messer in der Hand hielt. Sie nahm es ihr weg und sagte, es sei von Trasilio, er hätte es manchmal zum Schnitzen benutzt, die Kleine sei auch ganz talentiert. Sie hat sich aber darüber aufgeregt, dass sie immer dieselben Figuren macht. Mir schien es ein richtiges Problem zu sein. Diese Beständigkeit hat sie sicher von ihrem Vater, denn wenn man etwas gut lernen will, muss man es üben. Immer wieder dasselbe. Das Publikum will immer wieder etwas anderes hören, will sich zerstreuen, aber der Künstler erprobt sich immer wieder am selben. In den Augen des Publikums hat Picasso verschiedene Perioden gehabt und verschiedene Motive benutzt, aber er selbst hat gesagt, ich male immer dasselbe.«
    Sie nahm die silberne Klingel vom Tisch und läutete. Als das Mädchen erschien, bat sie um eine weitere Flasche Champagner.
    Costa interessierte, was Trasilio Sanchez für ein Mensch gewesen war. Beide stimmten darin überein, dass er beharrlich und jähzornig gewesen war, verbohrt in seine Sache. Sie beschrieben ihn als einen kräftigen Mann mit tiefen dunklen Augen und knapp über den Augenhöhlen liegenden schwarzen Augenbrauen, einer breiten Stirn und einem ausdrucksvollen Gesicht.
    »Turia war überzeugt, dass der Professor nicht tot war«, sagte Catalina, und Costa begriff, dass sie das schon vorhin hatte sagen wollen, bevor sie von Josefa unterbrochen worden war. Auch jetzt schien Josefa das für Unsinn zu halten.
    »Turia hat immer an Geister geglaubt. Ihrer Meinung nach gab es keine Trennung zwischen Diesseits und Jenseits.«
    »Und Turia konnte beide Welten wahrnehmen.«
    Darauf ging Josefa nicht ein. »Bis auf den Besuch nach Trasilios Verschwinden habe ich Margarita nicht mehr gesehen. Sie hat sich ja gleich mit Jaume Prats verheiratet. Ich denke, dass gerade ihre Unscheinbarkeit die Attraktion für die beiden egozentrischen Männer war. Der Professor, der verrückte Wissenschaftler, und Jaume Prats, der besessene Machtmensch.« Sie hob ihr Glas und trank es in einem Zug leer.

kapitel elf
    Er brauchte die Via Romana vom Museum aus nur einen Block hinaufzugehen, um Nummer 38 zu finden. Das zweistöckige Haus war in den dreißiger Jahren gebaut worden. Die Fassade war bis auf den weißen Sockel hellgelb, aber Regengüsse und Hitze hatten ihre Landschaften hineingemalt.
    Die hellgrünen Holzjalousien waren geschlossen, auch die Türen der schmalen Balkone mit den schmiedeeisernen Balustraden. Die Haustür aus dunklem Holz stand halb offen. Irgendetwas ließ ihn zögern. Er war nicht angemeldet, und vielleicht mochte Señora Sanchez Überraschungsbesuche nicht. Aber dann gab er sich einen Ruck. Das Treppenhaus war kühl und feucht, die Wände aus grauem Marmor, die Treppe knarrte. Als sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, sah er im ersten Stock ein Messingschild.

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