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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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Catalina.
    »Was für ein Unglück?«, fragte Costa.
    Catalina seufzte, und Josefa sagte: »Ihr Vater hat sich erhängt, als sie neun war.«
    »Turia war aber immer der Meinung, dass er doch noch …«
    »Für ein kleines Mädchen ist das fürchterlich«, unterbrach Josefa ihre Schwester.
    »Ja, sie hat sehr an ihm gehangen. Viel mehr als an ihrer Mutter.«
    »Kinder lieben immer beide Eltern«, sagte Josefa und nahm Catalina den Zwieback aus der Hand, den sie schon seit zehn Minuten hielt. »Ich weiß noch, wie sie mal bei mir waren, der Professor, seine Frau und die Kleine. Es muss Anfang September gewesen sein, denn wir saßen zusammen auf der Gartenterrasse, und Laureana pflückte ein paar Weintrauben. Trasilio Sanchez war sehr aufgekratzt, weil er Gelder für weitere Ausgrabungen in Es Culleram bekommen hatte. Von mir wollte er auch immer Geld. Ich muss sagen, dass mir seine Pläne gefielen. Dazu muss man verstehen, dass er 1959 eine Berühmtheit geworden war, weil er in karthagischen Schriftrollen Beweise dafür gefunden hatte, dass die Höhle ursprünglich ein Tempel phönizischer Götter, nämlich des Baal Hammon und der Göttin Tanit gewesen war. Vorher war Es Culleram einfach nur ein Platz für Schmuggler gewesen, für Tabak und Melasse. Zehn Jahre lang hat er sich damit beschäftigt, und während dieser Zeit wurde Laureana geboren. Ich bin sicher, er hat sie schon mit in die Höhle genommen, als sie noch nicht laufen konnte. Seit 1907 hatten sich Archäologen mit der Höhle beschäftigt, fanden Terrakottafiguren, sogar auch einen mysteriösen Goldschatz, aber im September 1969 war Trasilio ganz sicher, dass er endlich den großen Opfersaal entdeckt hat. Er hatte mich kurz zuvor besucht, und seine Aufregung übertrug sich auf jeden von uns, sogar auf Laureana, sein kleines Ebenbild. Ich bezweifle, dass sie jemals mit Puppen gespielt hat, aber jeder Fund ihres Vaters war ein Schatz für sie, mit dem sie sich stundenlang beschäftigen konnte.«
    Catalina gab ihr Recht, Kinder seien wie Schwämme, sie saugten alles auf, was von ihren Vorbildern komme. Jeder habe sehen können, wie viel Laureana mit ihrem Vater und wie wenig sie mit ihrer Mutter gemein hatte.
    »Warum hat er sich erhängt?«, fragte Costa.
    »Erfolg ist die eine Sache, aber wer kann schon in die Seele eines Menschen schauen?«, sagte Catalina.
    Josefa nahm ihr die Gabel aus der Hand, mit der sie herumfuchtelte. »Trasilio Sanchez war schwer depressiv«, sagte sie. »Margarita hat mir erzählt, dass sich sein Vater auch erhängt hat. Zwanzig Jahre vor ihm.«
    Costa dachte an seinen melancholischen Vater, der nur aufblühte, wenn er sonntags mit seinen Freunden schmachtende Boleros spielte.
    »Aber Jaume Prats hat auch seinen Teil dazu beigetragen.«
    Costa verstand nicht. »Laureanas Stiefvater? Der Inselrat der Rechten?«
    »Der Partido Popular«, verbesserte ihn seine Großmutter.
    »Trasilio war ein guter Junge«, sagte Catalina. »Aber es gab für ihn immer nur die Vergangenheit.«
    »Es musste gesprengt werden«, unterbracht Josefa sie, »und Jaume Prats war der damalige Brandschutzbeauftragte. Er überwachte persönlich die Durchführung der Sprengung.« Sie nippte an ihrem Glas Champagner. »Dann passierte das Unglück: Fünf Arbeiter starben, weil irgendetwas falsch berechnet worden war. Trasilio Sanchez war zwar auch in unmittelbarer Nähe, aber er überlebte als Einziger. Man gab ihm die Schuld an dem Unglück.«
    »Trasilio Sanchez und Jaume Prats waren Freunde. Prats hätte die Sprengung nicht genehmigen dürfen«, sagte Catalina.
    »Worin bestand Prats’ Schuld?«, fragte Costa.
    »Ich bin sicher, er hätte alles aufklären und Trasilios Unschuld beweisen können. Aber Prats hat geschwiegen.«
    Catalina schnaufte verächtlich. »Und als Krönung heiratete er kurz danach die Witwe. Nicht mal das Trauerjahr hat er eingehalten.« Ärgerlich klopfte sie mit dem Messer auf den Tisch. Josefa nahm es ihr ab.
    »Jedenfalls war Laureana vor dem Tod ihres Vaters ein kesses, aufgewecktes Mädchen«, erzählte sie, angeregt vom Champagner. »Sie war lebenslustig und rebellisch. Das gefiel mir. Ein bisschen sah ich mich da als junges Mädchen. Den dunkelblauen Faltenrock ihrer Schuluniform hatte sie eigenhändig gekürzt, aber vorne mehr als hinten. Dadurch, dass der Rock hinten die Kniekehlen bedeckte, vorne die Knie aber nicht, sah es verwegen aus. Darunter trug sie Strumpfhalter, was bei allen Mädchen ihres Alters Furore machte. Manchmal

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