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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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rollten in das vom Feuer erfüllte Innere, wo sie verbrannten. Besonders in Karthago war dieser Molochdienst verbreitet.«
    »Und diese Opfer wurden auf einer solchen Feuerstätte dargebracht?«
    »Nein, antiken Berichten zufolge wurde Moloch in Karthago durch eine große Bronzestatue mit Stierkopf dargestellt, die innen hohl war. Im Inneren brannte ein Feuer, wodurch die Statue rot glühte. Die Opfer wurden auf den Händen des Moloch platziert, die mittels einer komplexen Mechanik zum Mund bewegt wurden, so als ob Moloch essen würde. Die Opfer, oft Kinder, fielen dann ins Innere und verbrannten. Die Menschen versammelten sich um die Statue und übertönten das Schreien des Opfers mit Gesang, Flöten und Tamburinen. Gustave Flaubert fand das so anregend, dass er einen Roman daraus machte.«
    Sie wandte sich wieder der Feuerstätte zu. »Wo haben Sie die Verbrannten gefunden?«
    Costa zeigte ihr die betreffenden Stellen und erklärte ihr, was die Untersuchungen bisher ergeben hatten. »Die zwei Männer sind auf der Feuerstätte verbrannt worden, aber das Wasser ist in der Sturmnacht bis hier hinaufgetrieben worden und hat die Gebeine heruntergespült, so dass Teile um die Feuerstätte herumlagen. Ein Teil lag noch in der Mulde hier«, sagte er, »wo ich auch ein Amulett gefunden habe. Leider mussten wir es zur Untersuchung nach Barcelona schicken, aber ich habe Ihnen ein Foto mitgebracht, auf dem Sie es genau sehen können. Ich wollte es beim Tauchen nicht mitnehmen, doch wenn wir zurück sind, kann ich es Ihnen zeigen.«
    »Das Amulett der Karthager war zumeist ein Skarabäus.«
    »Sollen wir davon ausgehen, dass die Verbrannten hier einem Gott geweiht wurden?«, überlegte Costa laut.
    »Das sagt die Inschrift, ja.«
    »Eine Sekte?«
    »Keine Ahnung.«
    »Was für einen Sinn hätten die Opferungen?«
    »Eine Nachricht vielleicht.«
    »Welche Nachricht könnte es sein?«
    »Ganz sicher wollten die Täter, dass irgendjemand verstehen würde, warum diese Menschen hingerichtet wurden«, sagte sie.
    »Als Weihegabe für einen Gott. Dies als Nachricht an die Polizei halte ich für unwahrscheinlich, denn ein Ermittler würde sich davon kaum beeinflussen lassen. Für einen Polizisten wäre die Information, dass es sich um einen Ritualmord handelt, doch nur eine von mehreren Möglichkeiten. Nicht wahr?« Sie musterte ihn interessiert. In ihrem Ton klang keine Ironie mit. Sie wollte einfach die Ansicht eines Experten aus einem anderen Fachbereich hören.
    Für Costa war es eine rein rhetorische Frage, und er nickte zustimmend.
    Konzentriert führte sie ihre Gedanken fort. »Heutzutage kidnappt jeder politische Terrorist irgendjemanden oder bringt jemanden um, nur damit die Nachricht in die Medien gelangt und Raum schafft für die eigentliche Nachricht, die er veröffentlichen möchte. Sie müssen nur warten, bis die eigentliche Nachricht, die essential message, wie es ja heute heißt, an die Medien gelangt.«
    »Wäre noch eine andere Möglichkeit denkbar?«
    »Delikater wäre der dritte Fall, dass die Leute mit dieser blutigen Schmiererei einem bestimmten Menschen eine Nachricht übermitteln wollen. Über die Medien natürlich.« Sie lächelte.
    »Oder über die Polizei. Wenn Sie es zum Beispiel, Teniente Costa, dem Betreffenden persönlich sagen.« Sie lächelte wieder. »Logisch? Oder habe ich einen Denkfehler gemacht?«
    Was sie gesagt hatte, war alles richtig, aber als Vordenkerin brauchte er sie nicht. Er war auf ihr Wissen angewiesen, das Denken übernahm er gerne selbst. Er achtete stets genau auf diesen kleinen Unterschied, denn Leute, die für andere dachten, taten es nicht zuletzt, um sie zu beeinflussen. Welche Absicht verfolgte sie? Vielleicht musste sie – quasi von Natur aus – einfach immer scharf und schnell denken, egal, womit ihre Denkmaschine gefüttert wurde. Er nahm sich vor, das später einmal auszuprobieren, mit irgendeinem unsinnigen Thema. Im Moment interessierte ihn nur Molk. »Molk« sagte er, »ein seltsames Wort.«
    »Dieses Wort existiert bis heute im ibizenkischen Sprachgebrauch. Mein Vater hat nachweisen können«, Enthusiasmus stand in ihren Augen, »dass die ersten Bewohner dieser Insel ein solches Ritual auch in der Höhle von Es Culleram zelebrierten. Er hat es beschrieben. Die Verwandten und Betroffenen durften nicht trauern und weinen, selbst wenn es sich um Kinder handelte, die geopfert wurden. Die Eltern mussten anwesend sein, durften aber keine Regung zeigen, wenn ihr Kind, mit

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