Brennende Schuld
hierher?«
»Das frage ich mich auch.«
Costa folgte ihr durch die verwinkelten Kammern. Ab und zu trafen sie auf Angestellte des Museums, die mit kleinen Schaufeln und feinen Pinseln Scherben und Knochen freilegten. Er fühlte sich an die Kollegen von der Spurensuche erinnert, die tiefer unter ihm das Gleiche taten. Sein Blick fiel auf eine Vase aus blauem Glas, die fast unversehrt war.
»Ja, diese Vase. Die Phönizier stahlen alle Geheimnisse. Von den Ägyptern das der Glasherstellung, von den Syriern das Geheimnis, wie Purpurfarbe hergestellt wurde. Dieses Wissen bedeutete Reichtum, und die Karthager waren die Jahrhunderte vor Christus das reichste Volk des Mittelmeeres. Sie verhielten sich wie die Konzerne heute – was zuvor den Göttern und Priestern vorbehalten war, wurde von ihnen massenhaft hergestellt und zwischen Nil und der Straße von Gibraltar verkauft. Sie waren auch die Ersten, die auf Barzahlung bestanden. Bis dahin wurde den Göttern gespendet.« Sie lachte kurz. »Was heißen soll, der König oder die Hohen Priester kassierten die Gewinne ein. 700 Jahre vor Christus hatten die punischen Phönizier ihren Einfluss über Sizilien und Sardinien bis nach Südspanien ausgedehnt.«
Sie redete, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass die Gänge schmaler wurden und jeder Schritt unbequemer. »Ihr strategisch wichtigster Stützpunkt zur Eroberung des Festlands war die Siedlung Ebusim, Ibiza. Die ältesten Gräber unserer Nekropolis stammen aus dieser Zeit.« Sie blieb abrupt stehen, wie sie es schon einige Male getan hatte, wandte sich um und starrte ihn an. Suchte sie etwas in seinem Gesicht, einen Gedanken, von dem sie glaubte, er verheimlichte ihn ihr? Es war eine ihrer Marotten, denn sie hatte keinen Grund, ihm Hintergedanken zu unterstellen. Im Gegenteil. Es interessierte ihn, was sie sagte, und er gab Karin Recht, die ihm diese Führung durch die Geschichte Ibizas empfohlen hatte.
Die Sanchez zog die Augenbrauen hoch. »Aber ich bin nicht an Terrakotta interessiert, sondern daran, wie die Menschen damals gedacht und gehandelt haben.«
Im Grunde ähnelten sich ihre Berufe. Wir sind nicht dabei, wenn es passiert, wir finden Indizien, wir graben, wir untersuchen, bis sich ein Bild ergibt, wie es gewesen sein könnte, sinnierte Costa.
Sie war schon weitergegangen. Ihre Rede floss zügig dahin, obgleich die Decke nun so niedrig wurde, dass sie sich bücken mussten. Sie erklärte ihm, dass die Phönizier ursprünglich aus Vorderasien kamen, aus dem Libanon, und weil sie gute Seefahrer waren und Kaufleute, fuhren sie herum und gründeten überall Siedlungen. Die größte war Karthago in Tunesien. Von da aus dehnten sie dann ihren Einfluss weiter aus, nach Ibiza, zum spanischen Festland, nach England. Manchmal sprach sie schneller, manchmal langsamer, manchmal stockte sie, drehte sich um, um ihn zu betrachten, was sich in so einer gebückten Haltung schwierig darstellte. Schließlich endete der mühselige Entengang vor einer massiven Felswand.
»Wir befinden uns hier an dem Punkt, der dem Meer am nächsten ist«, sagte sie, »aber wie Sie sehen, gibt es nirgends einen Weg, der nach unten führt.« Sie drehte sich um, und sie standen wieder gebeugt voreinander. Costa spürte die Anspannung in seinen Rückenmuskeln, er hatte keine Lust mehr. Und sie hatte Recht behalten. Es gab nirgends ein tieferes Loch.
»Was das Amulett anbetrifft«, sagte sie und brachte ihn dazu, diesen einen Moment noch zu verharren, »die einzige Erklärung wäre die, dass es schon Ewigkeiten in der Höhle lag und nichts mit dem Mord zu tun hat.« Wieder machte sie eine seltsame Pause, in der er das Zittern seiner Muskeln und den zunehmenden Schmerz spürte. Schroff forderte sie ihn plötzlich auf, zurückzugehen. Er war erleichtert und machte sofort kehrt.
Als sie wieder oben waren, traf ihn die Hitze wie ein Schlag. Er blickte sich auf dem Gelände um. Es musste irgendwo einen Zugang geben. Sollte er hier noch weitermachen? Er fühlte sich erschöpft von den Vorträgen, die die Sanchez auch den ganzen Rückweg über gehalten hatte. Im Moment stand sie oberhalb des Kraters und redete auf ihre Arbeiter ein. Sein Rücken war immer noch verkrampft, und er hatte Durst. Langsam ging er den Berg hinauf, um sich zu verabschieden.
» Teniente, Sie verlassen uns schon?« Sie reichte ihm die Hand. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine große Hilfe war.« Ihr Händedruck war kräftig und kurz.
»Beginnt schon mal mit dem
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