Brennende Schuld
Ausnahme machen. Immerhin wartete ja noch die alte Finca auf dem Gelände der Nekropolis auf sie. Vielleicht würde sich etwas ergeben – mit Karin in Hochstimmung und Cocktailkleid.
»Ich komme mit«, sagte er.
»Wir treffen uns in einer Stunde auf der Plaça del Parque.« Es kam freudig und überrascht. Zufälligerweise hatte er für diesen Abend das weiße Hemd gewählt, Karins Geschenk. Er betrachtete sich im Spiegel, bändigte sein strubbeliges Haar mit einer Hand voll Wasser, fuhr sich prüfend über die Haut und setzte ein Antonio-Banderas-Gesicht auf. » Besame, besame mucho … « , summte er, während er gut gelaunt zur Tür hinaustanzte.
Er parkte seinen Wagen an der Avenida España und schlenderte zur Plaça del Parque. Er setzte sich auf die erste Bank am Fuße der Burgmauer in den Schatten und träumte wie ein Jüngling vom Schäferstündchen in der Finca.
»Toni.« Karin stand vor ihm. »Wir müssen uns beeilen.«
Eile passte nicht zu seinem Traum.
Er stand auf und küsste sie. »Du siehst umwerfend aus.« Dabei betrachtete er ihre Rubinohrringe, machte eine ironisch-galante Verbeugung und drehte sich strahlend um die eigene Achse.
Arm in Arm schlenderten sie in Richtung Via Punica.
Als sie nach dem Stand seiner Ermittlungen fragte, erzählte er von seinen Eindrücken beim Tauchen, von karthagischen Mythen (ließ dabei aber nicht Laureana Sanchez’ Namen fallen) und von der halb versunkenen Finca inmitten uralter Olivenbäume, wo die Luft kühl und von Jasminduft erfüllt war.
»Kühl ist gut«, sagte sie.
Sie wehrte sich nicht, als er sie wieder an sich zog, es waren die Moskitos, die ihn zwangen, sie loszulassen und sie zu verteidigen.
Sie betraten das Gelände der Nekropolis von der Spitze des Mühlenhügels aus, und als sie das Observatorium passierten, überprüfte er es mit einem schnellen Blick. Die vom Surfer ausgesuchten Beamten waren nicht zu bemerken. Gut so. Die heutigen Überwachungsfotos würde er sich morgen gleich als Erstes vorlegen lassen, um den möglichen Schnappschuss von ihm mit Karin gleich einzukassieren. Voller Vorfreude ging er schneller und zog sie hinter sich her.
Karin war angetan von der Atmosphäre der Ausgrabungsstätte und ließ seine Hand auch nicht los, als der Weg sich zwischen Mohnblumen und stachligem Ginster verengte. Er drückte ihre Hand fester. Die Finca konnte er allerdings noch nicht sehen, obwohl es hell genug war. Noch ein paar Schritte. Nichts. Verwundert blieb er stehen. Doch, es war hier, die Stelle, an der ihm vor vier Tagen Laureana Sanchez die kurze Geschichte dieses Bauernhauses erzählt hatte. Aber das Haus war nicht mehr da! Er löste sich von Karin und befühlte den Boden, ein sauber eingeebnetes Feld aus roter Erde.
»Wo ist nun deine kühle Finca?«, fragte sie neugierig.
»Sie war hier! Genau an dieser Stelle! Ich bin ganz sicher.«
»Du meinst, sie hat sich in Luft aufgelöst?«
Halb zweifelnd, halb wütend schaute er sich um. Doch, es musste hier gewesen sein. Über ihnen das Observatorium, unter ihnen das Museum – eine gerade Linie.
»Warte eine Sekunde.« Er suchte die Kurzwahl des Surfers in seinem Mobiltelefon und wartete, während Karin ungeduldig von einem Fuß auf den andern trat.
»Wo ist die Finca hin? Was ist hier los?«, zischte er ins Telefon.
»Ich dachte, du wärst informiert worden«, hörte er die erstaunte Stimme des Surfers. »Die Finca ist gestern auf Geheiß des Conseill Insular abgerissen worden. Die wollten vor der Feier der UNESCO alles fertig haben. Unsere Leute hat Santander vorher abgezogen.«
»Nein, ich bin nicht informiert worden«, blaffte Costa in den Hörer. »Darüber reden wir noch.« Wütend drückte er das Gespräch weg.
»Wir sollten gehen«, murmelte er schlecht gelaunt. »Ich würde ungern die Eröffnungsrede verpassen.«
Karin schaute auf die Uhr. »Wir haben doch noch Zeit«, sagte sie und zog ihn an sich.
Sie küsste ihn hitzig, aber er musste an die Sprengung denken. Er wollte wissen, wer das veranlasst hatte.
Sie merkte, dass er nicht bei der Sache war, und lachte. »Ich mach ein Foto von dir auf deiner verschwundenen Finca.« Er gab nach und warf sich auf dem planierten Platz der Finca übertrieben in Pose. Aber auch das klappte nicht, denn die Batterien waren leer. Jetzt war Karin ärgerlich und nicht davon abzubringen, sofort neue zu holen. Sie bat ihn, vor dem Museum auf sie zu warten. Er war froh darüber, jetzt alleine zu sein.
Die Via Romana war zwischen der
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