Brennende Schuld
Brunnenschacht endete nach zehn Metern, und von da an, wo es tiefer in den Felsen hinunterging, waren Sprossen in die Wände geschlagen worden, so dass es für jüngere Männer ein bequemer Abstieg bis zur Höhle war. Vermutlich trugen sie Grubenhelme mit aufmontierten Lampen, Handschuhe, Turnschuhe und warme Kleidung. Bei diesen Temperaturen hätte eine solche Vermummung jedem auffallen müssen. Der Bischof hatte diese Information schon an die Einheit weitergegeben, die in diskreter Form Befragungen der Anwohner in der Nachbarschaft vornahm. Am Fuß des Brunnens war eine ausfahrbare Stahlleiter gefunden worden. Ein Beamter der Guardia war in den Schacht gestiegen und hatte Haken gefunden, an denen diese Leiter befestigt worden war. Der Brunnenboden war unten mit einer Klappe aus Stahlverstrebungen gesichert Von daher der metallische Klang, als Costa den Stein in den Brunnen geworfen hatte.
Unbeantwortet blieb die entscheidende Frage, welchem Zweck die Höhle gedient hatte, wenn nicht allein dem Verbrennen von Menschenopfern. Allerdings löste der Gedanke bei jedem im Team Befremden aus.
Das Blut am Türrahmen in der Gefrierkammer war das Blut des Seemanns, wie Costa vermutet hatte. Das Medikament, das in der Höhle gefunden worden war, hatte sich als ein neu zugelassener Fusionshemmer für Aidspatienten namens Esozon entpuppt, den man in jeder Apotheke kaufen konnte. Elena stellte die Frage, ob einer der Täter aidskrank gewesen sein könnte, und hätte gerne eine Anfrage bei allen Ärzten auf der Insel gestartet, aber das Arztgeheimnis machte das unmöglich. Beim Seemann war Aids bereits durch eine Blutuntersuchung ausgeschlossen worden. Die Identifizierung des Seemanns war die Voraussetzung, um in dem Fall überhaupt weiterzukommen. Solange sie nicht wussten, wer der Mann war, gab es keine Möglichkeiten, die Ermittlungen zu intensivieren. Dies galt umso mehr, als die Identifizierung der beiden Verbrannten so gut wie aussichtslos war, wenn ihre Gencodes nicht aus besonderen Gründen in irgendeiner Datenbank gespeichert waren. Ein solch besonderer Grund wäre nur die Verurteilung wegen eines Schwerverbrechens. An alle anderen Datenbanken, medizinische, geheimdienstliche oder militärische, würden sie nicht herankommen.
Der Bischof klapperte gerade die zweihundert Eislieferanten und Kühlfirmen der Insel ab, aber Costa vermutete, dass diese Überprüfung nicht viel ergeben würde und dass der Bischof nur so scharf darauf war, weil darunter auch Metzgereien waren, deren Besitzer er kannte und mit denen er bei einem Imbiss lange Gespräche über neue Rezepte führen konnte.
Auch das Amulett war auf Spuren untersucht worden, aber ohne Ergebnis. Die Bestimmung des Alters stand noch aus.
Vor Costa auf dem Tisch lagen die Überwachungsfotos der Finca auf dem Ausgrabungsgelände. Während Elena und der Surfer darüber diskutierten, ob es heute Gruppen gäbe, die alte Götter und den Glauben an sie wieder aufleben ließen, glitten seine Gedanken ab und endeten, wie so oft in letzter Zeit, bei Karin. Die Aufnahmen von der Finca erinnerten ihn an seine Fantasien, Karin wieder mal woanders zu verführen als im Bett.
»Hörst du mir eigentlich zu?« Elena sah ihn streng an. »An welchem Punkt hast du dich denn verabschiedet? Also noch mal von vorne: Ich sagte, was immer in der Höhle war, wurde durch die Finca abtransportiert.«
Costa nickte amüsiert über ihre lehrerinnenhafte Strenge.
»Warum diese Mühe? Wenn es Drogen waren, hätte man sie doch einfach in einer Bucht ausladen können.«
Der Surfer hob den Bleistift, mit dem er die ganze Zeit hantiert hatte. »Vielleicht haben sie in der Höhle etwas hergestellt.«
Elena wartete gespannt auf die Schlussfolgerung, und Costa sah aus dem Fenster. Er konnte förmlich spüren, wie die Hitze gegen die Scheiben drückte.
Der Surfer nahm seine Beine vom Stuhl und legte den Bleistift aus der Hand. »Ecstasy.« Überflüssigerweise schrieb er das Wort in großen Druckbuchstaben auf das oberste Blatt eines Papierstapels, drehte den Stift herum und klopfte auf das Wort. »Ist doch nahe liegend. Sie haben Ecstasy-Tabletten gepresst. Der Kühlraum war nur dazu da, das Trockeneis zu lagern.« Weil keine Reaktion erfolgte, erklärte er weiter. »Wie alt seid ihr eigentlich? Jedes Kind weiß doch, dass man Trockeneis braucht, um Ecstasy herzustellen. Die Synthese erfolgt in einem Trockeneis-Aceton-Bad.«
»Hattest du schöne Abende mit dem Zeugs?«, fragte Elena, und Costa nahm
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