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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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nichts, trank sein Glas leer, stellte es einer der Statuen auf die waagerecht angewinkelte Hand und wollte gerade wieder zurück zur Bar gehen, als Karin erschien und unbeschwert verkündete: »Wir sind gleich so weit, du kannst schon mal den Tisch decken.« Dann eilte sie geschäftig zurück in die Küche.
    War das nicht eine Szene aus seiner Kindheit? Richtig – wenn sie sich gut waren, seine Mutter und er, dann deckte er fröhlich den Tisch, sprang gerne hin und her, immer wieder in die Küche, aber wenn die Stimmung schlecht oder er gar eifersüchtig auf einen ihrer Verehrer war nach der Trennung von seinem Vater, dann stellte er Teller und Schüsseln möglichst laut auf den Tisch, schubste sie herum und warf Messer und Gabeln klappernd aufs Holz. Sicher, jetzt als Mann war er sich bewusst, dass er dies Spiel nicht mehr spielen sollte.
    Doch inzwischen war ihm längst klar geworden, dass Karin seine große Schwäche war. Vielleicht sollte er besser sagen, dass sie seine große Schwäche deutlich machte, ihm ein Spiegel war. Doch was war die Schwäche? Verliebtheit? Liebessucht? Und was musste er tun, um sie zu überwinden? Keulemans freie Hand lassen?
    Er ging zurück zur Bar, goss sich noch einen Doppelten ein und verteilte lustlos Besteck und Gläser auf dem Tisch.
    Keulemans erschien mit einer Flasche Weißwein im Kühler, stellte sie auf den Tisch und wandte sich mit einer ärgerlichen Bewegung zur Bar, wo er Weingläser holte, die Costa vergessen hatte. Währenddessen trug Karin Schüsseln und Pfannen auf.
    »Cannelloni gefüllt mit Rotbarbenfilets und ibizenkischen Gambas«, präsentierte Keulemans das Mahl. »Dazu ein 98er Chassagne Montrachet.«
    »Gilles ist ein fantastischer Koch, ein richtiger Profi«, schwärmte sie. »Die Gräten der Fische hat er in Windeseile mit einer Spezialpinzette gezogen, zweiundzwanzig pro Filet.«
    »Wer ist Gilles?«
    »Ich.« Keulemans streckte Costa seine Hand über den Tisch entgegen. »Und du heißt Toni, nicht wahr?«
    Costa lächelte und ließ Keulemans Hand in der Luft hängen.
    »Ich heiße Costa, und wir bleiben beim ›Sie‹, Señor Keulemans.«
    Keulemans hob beide Hände in einer entschuldigenden Geste und führte die Konversation mit Karin fort, die sich hauptsächlich um die Schwierigkeit drehte, den richtigen Garpunkt zu erahnen, zu dem die Zahnstocher aus den Filets gezogen und Fisch und Krustentier zusammen mit etwas Tomate, Milch und Koriander in die Nudelröllchen gestopft werden mussten.
    Karin strafte Costa mit Nichtachtung, denn er hatte eine Grenzlinie überschritten. Allerdings war es auch eine Grenzlinie, jenseits deren ihm alles egal war. Er genoss den Fisch und die Gambas und langte kräftig zu. Er zögerte auch nicht, sich selbst ausreichend mit Wein zu bedienen, wischte sich breit mit der Serviette den Mund ab, trank ordentlich und ließ es sich schmecken.
    Keulemans übersah Costas Ungeselligkeit und blieb die Freundlichkeit in Person. »Probieren Sie das Brot, Costa, eine Delikatesse. Es nennt sich Tajine, eine Köstlichkeit aus Tunesien.«
    »Sie kennen Afrika gut?«, fragte Costa und schob sich eine Gamba in den Mund.
    »Nun, ein wenig, man lernt es nie wirklich kennen. Es ist ein faszinierender Kontinent.«
    »Ein faszinierender Kontinent«, wiederholte Costa, lehnte sich zurück und leerte kauend sein Glas. Dann legte er die Serviette auf den Tisch, stand auf und sah sich um.
    »Nehmen Sie gleich die Toilette hier vorne«, sagte Keulemans.
    »Den ersten Flur links.«
    Als er in das helle Licht des Flures trat, merkte er, dass er nicht mehr nüchtern war. Nach zwei Schlafzimmern fand er die Toilette.
    Sie war größer als jedes Zimmer, das er je bewohnt hatte. Auf die Wand war ein riesiges Foto geklebt, das ein Nashorn in Lebensgröße zeigte. Es stand in einer belebten Hotelhalle, umgeben von Pagen und Koffern, und schien sich zu fragen, wie es hierhin geraten war. Costa fuhr mit dem Finger über die Oberfläche, freundschaftlich, als wolle er mit dieser Geste dem Nashorn seine Seelenverwandtschaft zeigen.
    Er warf sich kaltes Wasser ins Gesicht und starrte in den Spiegel. Nur eine Frau kann einen Mann zu solch einem Idioten machen, dachte er zornig. In diesem Moment beschloss er, dem ein Ende zu setzen.
    »Ich hoffe, das Nashorn hat Sie nicht erschreckt«, sagte Keulemans, als er zurück an den Tisch kam.
    Costa murmelte etwas von einem erstaunlichem Foto, was aber in Keulemans Erklärung unterging, dass eines seiner Hobbys Fotografie

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