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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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Vereinten Nationen bewachen sollte, gestohlen? Medikamente, gespendet von Pharmakonzernen, versehen mit dem Aufkleber »Not for commercial purpose«?
    Er öffnete noch einmal das Fenster mit der überaus erfolgreichen Firmenbilanz. Unter den Ausgaben fand sich eine einmalige Zahlung von einer Million CFA-Francs an einen Monsieur Félix Mohammed Habré aus N’Djamena.
    »Medizinische Transporte? So wie hier?« Costa klickte zweimal mit der Maus auf einen Ordner und stellte den Computer auf Diashow ein. Der Titel des Ordners lautete »Tschad-Sudan«. In langsamem Wechsel zogen die Bilder vorbei: verhungernde Kinder mit aufgequollenen Bäuchen, Kinder mit offenen Wunden, verschorft und voller Ungeziefer, Kinder mit uralten libyschen Maschinengewehren, kranke Kinder, tote Kinder – fotografiert von der Ladefläche eines Lasters. Die Fotos waren meisterhaft. Keulemans hatte sein Hobby ernst genommen.
    »Fünf Millionen Kinder, die schon infiziert geboren werden«, sagte sie leise. »Zum Tode verurteilte Waisen, die ihre Eltern durch die Krankheit verloren haben. Unvorstellbare hygienische Zustände. Und korrupte Regime, denen die Leiden ihrer Völker nur zur Bereicherung dienen. Mein Mann hat dort eine wichtige Aufgabe erfüllt. 2002 war das. Wegen der unsicheren politischen Situation errichteten die Blauhelme ihr Basislager im Tschad. In einem Gebirge.«
    »Tibeti?«, fragte Costa.
    Sie nickte und fuhr fort. »Von dort aus wurden die Medikamente in den Sudan und nach Uganda gebracht. Die Transporte waren schwer bewaffnet. Als ich damals mit ihm telefonierte, erzählte er mir nur von den dauernden Überfällen der Rebellen und täglichen Schusswechseln. Ein richtiger Krieg.«
    Jetzt war ihm alles klar: Diese Firmen dienten nur einem einzigen Zweck – einen groß angelegten Diebstahl von Medikamenten im Sudan zu verschleiern, die der dortige Beauftragte Monsieur Habré gegen Bestechungsgeld zuließ. Er musste herausfinden, wie tief diese Frau mit drinsteckte. »Ende letzten Jahres ließ sich ihr Mann mit zweiundfünfzig Jahren in den Vorruhestand versetzen. Die Rente dürfte nicht besonders üppig sein. Ein halbes Jahr später kauft er ein Anwesen im Wert von mehreren Millionen.«
    Costa wandte sich Marit Keulemans zu. »Und Sie wollen mir weismachen, dass ich es mit einem Samariter zu tun habe und dass Sie von nichts wissen. Hier«, er öffnete die andere Datei, »da steht es doch: Esozon. Ein Aidsmedikament. Auf Ibiza gibt es keine Möglichkeit, so etwas herzustellen. Aber es wurde in großen Mengen von hier nach Mitteleuropa geschickt.«
    »Gilles’ Firma hat Medikamente verpackt, die hierher geschickt wurden und die er dann zurückschickte.«
    »Kalk«, sagte Costa. »Er hat sich wertlosen Kalk schicken lassen und durch Esozon ersetzt. Doch woher bekam er Ihrer Meinung nach das Esozon?«
    Sie sah ihn an. Ihre grünblauen Augen waren plötzlich weit geöffnet. Er sah, dass sie lange, geschwungene Augenwimpern hatte. Die Ränder ihres Augenbettes waren rot und wund.
    »Weiß ich nicht. Woher soll er es bekommen haben?« In ihrer Stimme lag Trotz. Sie hatte etwas Kindliches. Diese Welt, die Costa ihr nun Schritt für Schritt enthüllen würde, war ihr fremd. Darin konnte sie nicht bestehen.
    »Er hat Esozon über Schmuggelwege auf die Insel gebracht«, fuhr er so behutsam wie möglich fort.
    »Und dann?« Ihre Stimme war kaum zu hören.
    »Dann hat er es verpacken lassen und nach Andorra geschickt. Hatte er dort auch eine Firma?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie leise.
    »Wir nehmen es an. Der entscheidende Punkt ist aber, wo diese großen Mengen des Aidsmedikaments herkamen. Haben Sie irgendeine Idee?«
    Sie schüttelte den Kopf, ihre geröteten Augen immerzu auf ihn gerichtet.
    »Ich wollte mit Ihnen sprechen, um seinen Lebensweg oder seine berufliche Laufbahn zu rekonstruieren, denn irgendwo muss er die Gelegenheit entdeckt haben, große Mengen dieses auf den westlichen Märkten sehr teuren Medikaments billig zu kriegen.«
    »Und wo soll das gewesen sein?«
    »Hat er mal erwähnt, wie das Präparat hieß, das im Tschad auf die Reise ging und niemals ankam?«
    Sie starrte ihn an. Sie schien wirklich nachzudenken und schüttelte dann den Kopf.
    Der Surfer platzte herein. »Da hast du mich ja nett abgehängt. Macht Spaß, der Dienstwagen, oder?«
    Weder Costa noch die Frau reagierten.
    »Ich warte draußen, vale? « , sagte er und zog die Tür eilig hinter sich zu.
    Marit Keulemans hatte ihre Stimme wiedergefunden.

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