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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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warteten, dass ein Anhängerwagen ihre Koffer brachte. Es waren fast alles Hippies.
    Der Briefkasten war ganz am Ende, dort, wo keine Menschen mehr waren. Sie hielt den Brief noch einen Moment fest und dachte, wenn sie ihn fallen ließe, bekäme sie ihn nie wieder. Und wenn ich ihn zerreiße, kommt er nie an. Und niemals würde das je einer erfahren, wenn ich erwachsen wäre; aber bei mir sagen sie, der Brief ist nicht angekommen, weil sie ihn nicht eingeworfen hat. Sie hat es vergessen, wie immer.
    Sie aber vergaß nie etwas.
    Als sie wieder zurückging, hielt sie eine Frau an und fragte, ob die Maschine aus Barcelona schon gelandet sei. Sie hatte hennarotes Haar, acht bunte Perlenketten um den Hals, und ihr linkes Augenlid hing mehr herab als das rechte. Sie stand leicht vorgebeugt und sah ihr ins Gesicht. Sie drehte sich um und schaute zu den vielen Menschen am Laufband, aber sie wusste nicht, ob sie aus Barcelona kamen. Ganz rechts stand ein Mann in einem zerknitterten beigefarbenen Leinenanzug und mit einer Tasche aus rotbraunem Leder. Die rechte Hand hatte er am Griff des Gepäckwagens, und sie wunderte sich nicht, dass er die Tasche nicht darauf stellte; ihr Vater tat das auch nie. Als bemerke er ihren Blick, drehte er sich langsam um und sah herüber. Der Mann ist mein Papi! Sie erkannte ihn sofort, und sie wusste, dass er dachte, sie holte ihn ab. Aufgeregt winkte sie ihm mit beiden Armen. Ihr Herz klopfte so schnell, dass sie keine Luft bekam. Im nächsten Moment begann sie vor Freude laut zu lachen, dass er endlich aus Tunesien zurück war. Sie lachte so herzlich, dass sie dabei die Augen zusammenkniff und ihr die Tränen kamen. Als sie ihn wieder im Blick hatte, war er ein Stück weiter nach links gegangen. Sie konnte ihn nur noch im Profil sehen, weil er zu der Ausgangstür schaute, durch die sie kommen sollte. Sie rannte dorthin, aber die Ankommenden ließen sie nicht durch. Wütend trat sie einen Schritt zurück. Dann endlich konnte sie sich an einer Frau mit zwei Koffern vorbeiquetschen, doch der Beamte hielt sie fest. Er sagte, sie dürfe nicht durch. Sie sah an ihm vorbei und winkte ihrem Vater zu. Er machte eine Bewegung mit dem Arm, sich zu gedulden, er würde gleich kommen. Also wartete sie.
    Er kam und kam nicht. Alle Leute waren weg. Sie war so aufgeregt und verzweifelt, dass sie ein ungeheures Geschrei anstimmte. Der Beamte kam und fragte, was das solle. Sie erklärte, dass ihr Vater noch da sei, und er möge ihn schicken oder ihn suchen lassen. Er fragte nach ihrem Namen, und sie erklärte ihm, ihr Vater heiße Trasilio Sanchez. Prof. Dr. Trasilio Sanchez. Ein lachendes Erkennen ging über sein Gesicht, und er sagte: »Ah, Señor Sanchez, ja, der ist schon gegangen, du musst ihn doch gesehen haben, vielleicht hast du gerade nicht aufgepasst.«
    Sie rannte zurück, wo die Mutter wartete, sagte ihr aber nichts. Sie gingen zum Auto. Die Mutter fuhr nervend langsam, aber sie sagte nicht, sie solle schneller fahren, damit ihr Papi nicht so lange warten müsse. Sie durfte nicht wissen, dass sie ihren Vater gesehen hatte, sonst würde sie Onkel Jaume verständigen.
    Nachdem sie sie an der Schule abgesetzt hatte und verschwunden war, rannte sie sofort zu ihrer alten Wohnung. Sie war noch nicht wieder vermietet. Sie klingelte und klopfte, aber niemand öffnete, und nichts war zu sehen. Er will bestimmt mit Mutter sprechen, dachte sie, und weiß, dass Onkel Jaume nicht da ist. Also rannte sie nach Hause.
    Aber auch dort war niemand. Sie hatte ihn verpasst. Sie ging hinauf in ihr Zimmer, zog sich ganz aus und legte sich unters Betttuch. Sie war so verzweifelt, dass sie die Fingernägel in ihren Oberschenkeln vergrub und die Luft anhielt.
    Einige Zeit später wurde sie von schrillen Geräuschen geweckt. Sie wollte die Augen aufmachen, aber ihre Lider waren bleiern. Sie konnte ihre Hände nicht bewegen. Ihr Rücken war kalt, als läge sie auf einem Stück Eisen. Da sie sich nicht bewegen konnte, musste sie es ertragen. Aber ihre Ohren waren hellwach. Sie hörte alles. Es war die Stimme ihrer Mutter, die gerade gejauchzt hatte. Ein seufzendes, singendes Geräusch und darunter ein dunkles Grunzen. Sie hörte auch die Stimme ihres Papis. Die Worte waren unverständlich, vielleicht weil sie von dem Lachen verschluckt wurden, das ihnen folgte.
    Sie war sehr gereizt, aber das vertrieb die Müdigkeit aus ihren Knochen nicht. Ihr Kopf fühlte sich schwer an und dumpf.
    Als sie endlich die Augen öffnen konnte,

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