Brennende Sehnsucht
sitzenden Brille an. »Das ist unsere letzte Flasche. Wir müssen noch einmal ins Dorf, um unsere Vorräte aufzustocken, das würde ich eigentlich lieber vermeiden. Je weniger Leute uns sehen, desto besser.«
Wolfe dachte voller Bedauern an die Tochter des Gastwirtes, die möglicherweise zu einem weiteren Schäferstündchen bereit war, da sie ja jetzt schon einmal ihre Jungfräulichkeit verloren hatte. Aber es war ja für einen guten Zweck. »Einverstanden.« Er verschloss die Flasche mit dem Korken. Er
war es nicht gewohnt, Opfer zu bringen, aber das hier war schließlich ein sehr wichtiges Unterfangen.
Stickley wandte sich wieder seinen Studien zu und runzelte die Stirn. »Ich kann die Handschrift nachmachen, aber Brookhaven hat eine sehr komplizierte Unterschrift. Vielleicht wenn ich ein paar Tage geübt habe...«
Mit lautem Getöse rumpelte Wolfes Stuhl auf alle vier Beine. »Tage? Um Gottes willen, Stick, ich kann nicht tagelang in diesem schimmeligen Cottage verbringen, während du vor dich hin kritzelst. Denk dir was anderes aus!«
Stickley zuckte die Achseln. »Ich könnte die Unterschrift auch einfach bleiben lassen. Schließlich hat sie nur den einen Verlobten, der mit ihr Schluss machen kann.«
Wolfe lächelte und klopfte Stickley kraftvoll die Schulter. »So gefällt mir das schon besser!« Dann lehnte er sich wieder mit seinem Stuhl zurück. »Ich habe auch einen Plan, wie wir das Ganze etwas überzeugender gestalten können. Ich hasse es, sein feines Pferd zu verlieren, aber es ist ein bisschen zu edel für unseresgleichen. Wir sind ohne es besser dran.«
Er stand auf und ging zu dem Kleiderhaufen beim Feuer. »Es trifft sich gut, dass wir noch nicht dazugekommen sind, das hier zu verbrennen.« Er zog einen guten, blauen Gehrock aus dem Haufen und zog ihn über. »Ein bisschen eng, aber ziemlich viele Männer tragen ihn so.«
Er trat ans Fenster und betrachtete zufrieden lächelnd sein Spiegelbild. »Oh ja. Seh ich nicht gleich aus wie ein Marquis?«
Unter ihnen, in seinem irdenen Kerker, stieß Rafe enttäuscht den Atem aus. Er hatte etwas von einem Brief gehört, aber dann waren die Stimmen leiser geworden. Der Streit war offensichtlich beigelegt.
Seine Augen taten ihm weh von dem Versuch, in der Dunkelheit etwas zu erkennen, und seine Lunge war von der schlechten Luft ganz eng, aber er drehte sich wieder zu dem Loch in der Wand um und fing an, die uralten Fugen mit seinen zerschundenen Fingerspitzen zu bearbeiten. Phoebe war irgendwo auf der anderen Seite dieser Mauer, hoffentlich gesund und munter, er hatte sich vorgenommen, zu ihr zu gelangen, und wenn er dieses Cottage mit bloßen Händen einreißen musste.
Ein Stein nach dem anderen.
Siebenundvierzigstes Kapitel
A ls Phoebe am sechsten Tag nach Rafes Verschwinden das Studierzimmer des Hausherrn betrat, schaute Calder von den Papieren auf, die er gerade durchging. In seinem Blick lag ein Schatten, der ihr verriet, dass er etwas wusste.
»Ihr habt von ihm gehört.«
Calder schüttelte den Kopf, während er aufstand und sie zu einem Stuhl führte. »Nein, aber ich habe etwas über ihn gehört. Ich bin der Spur des Pferdes gefolgt.« Er lächelte finster. »Oder vielmehr der Spur des Geldes. Sie führte mich zu einem Dorf namens Burnhill, wo ein Mann, auf den seine Beschreibung passt, eins meiner Pferde an einen Mietstallbesitzer für ein weniger edles Tier und etwas Bargeld verkaufte.«
»Ihr seid sicher, dass es Rafe war.« Es war keine Frage. Calder rieb sich mit der Hand über sein müdes Gesicht. »Der Wirt hat ihn bis auf die Silberknöpfe an seinem blauen Gehrock genau beschrieben. Rafe hat sich nie etwas daraus gemacht, wie wir anderen goldene zu tragen.«
Phoebe ging im Zimmer auf und ab, zwang die quälenden Stimmen in ihrem Innern zur Ruhe. Sie würde sich an seine Stimme erinnern. Sie würde sich darauf konzentrieren, dass jede seiner Berührungen ein zärtliches Versprechen gewesen war. Sie würde sich nachts in ihre Laken wickeln und so tun, als stamme die Wärme von ihm.
Er würde zu ihr zurückkehren.
Wenn er es nicht tat, dann würde sie ihn finden und mit seinem eigenen Halstuch erwürgen.
Sie erstarrte bei dem Gedanken und blieb stehen.
Sie würde ihn finden.
Die von Calder beauftragten Männer gaben ihr Bestes, dessen war sie sicher, aber sie kannte Rafe. Sie kannte seine Gewohnheiten und seine Vorlieben, und sie wusste, wo er zuletzt gesehen worden war. Dort könnte sie anfangen, könnte sich von ihrem
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