Brennende Sehnsucht
während er sich im Schatten herumdrückte.
Ich drücke mich nicht herum. Es ist schließlich mein Garten.
Nicht wirklich. Es war Calders Garten. Brook House war Calders Haus. Verdammter Calder.
Rafe erlaubte seinem Blick, zögerlich wieder zu dem großen, lichten Viereck hinaufzuwandern. Phoebes Zimmer – das hübsche grüne mit dem Blick auf den Garten – das Zimmer, das Rafe an diesem Morgen Fortescue vorgeschlagen hatte.
Es gefiel ihr. Die Pralinen hatten ihr auch gefallen, hatte Fortescue ihm erzählt. Rafe kam sich lächerlich vor, wie er da wie ein verliebter Schuljunge auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen war, aber er hing an jedem Wort.
Ein Schatten bewegte sich vor dem Fenster. Er erstarrte. Dann verrieten ihm der Glanz von kastanienrotem Haar und eine zierliche Silhouette, dass es die Zofe, Patricia, war. Er
blies den Rauch aus. Er war mutlos und seiner selbst schrecklich überdrüssig.
Aber nicht so überdrüssig, dass er ging.
Eine Weile später erschien wieder ein Schatten. Dieser war viel weicher und runder. Er richtete sich auf. Phoebe. Honigfarbenes Licht fiel auf ihr Haar, als sie sich gegen die Brüstung lehnte und in den Garten hinausschaute. Von dort, wo er stand, konnte er die Farbe ihrer Augen nicht erkennen, aber er konnte sich vorstellen, dass sie weicher geworden waren, wie der Himmel in der Dämmerung.
Sehnsucht zerrte an ihm. Warum? Wieso verspürte er einen so schrecklichen Schmerz wegen eines Mädchens, das er kaum kannte?
Er sollte sich in die Stadt stürzen und sich an die erstbeste Witwe halten, der er begegnete. Er warf seinen Zigarillo zu Boden und trat ihn nachdrücklich aus. Das würde er tun! Bei Gott! Jetzt gleich!
Sie wandte den Kopf in seine Richtung. Er erstarrte. Sie hob eine Hand, um an ihren Augen zu reiben, damit die Zofe es nicht sah.
Es konnte tausend Gründe für ihre Tränen geben. Sie konnte um jemanden weinen, der gestorben war, um ihre Mutter beispielsweise. Sie konnte um irgendeine der verlorenen Seelen weinen, die sich zu dieser späten Stunde in den Londoner Straßen herumtrieben. Sie könnte aus Freude weinen.
Feurige Freude breitete sich in ihm aus.
Diese Tränen gehörten ihm. Er konnte nicht sagen, woher er es wusste, aber er wusste es.
Sie weinte um ihn, der er hier draußen in der Kälte stand wie ein verstoßener Hund. Der sich nach ihrer Wärme sehnte.
Sie weinte um ihn.
Zwanzigstes Kapitel
A m nächsten Morgen waren bereits zahlreiche Einladungen eingetroffen. Phoebe saß mit Deirdre und Sophie in dem gemütlichen Frühstückssalon von Brook House und blätterte den großen Stapel durch. »Die meisten dieser Leute kenne ich nicht einmal.«
»Nun, die Marquise von Brookhaven wird sie kennen.« Deirdre gab sich keine Mühe, sich ihre Gereiztheit nicht anmerken zu lassen. »Hast du etwa geglaubt, es würde sich für dich nichts ändern?«
»Nicht dass es mir etwas ausmachte«, warf Sophie behutsam ein, »aber ich glaube nicht, dass es Tessa gefallen würde, wenn du Einladungen annehmen würdest, die nicht uns allen gelten.«
Deirdre schnaubte in ihre Teetasse. »Ich glaube, Tessa würde Zustände kriegen, aber lass dich davon nicht abhalten.« Sie setzte ihre Tasse ab und beugte sich vor. »Oder nimm gar keine an. Brookhaven wäre es egal. Er hasst gesellschaftliche Anlässe.«
Phoebe blinzelte. »Wirklich? Wie kannst du das wissen?«
Deirdre starrte sie an. »Wie kannst du es nicht wissen? Es ist doch offensichtlich, dass dieser Mann lieber seine Geschäftsbücher durchsieht, als nur einen einzigen Schritt zu tanzen.«
Was für eine Erleichterung, wenn es stimmte. Aber warum sollte sie es nicht annehmen, bis sie eines Besseren belehrt würde?
Phoebe lächelte und nickte ihren Cousinen zu. »Danke.
Ich werde euren Rat beherzigen. Schließlich kann sich Tessa schwerlich gekränkt fühlen, wenn ich sie alle ablehne.«
Deirdre lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schüttelte den Kopf. Ein trockenes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Unterschätze niemals Tessas Fähigkeit, einem anderen etwas übel zu nehmen. Sie ist darin Expertin.«
Sophie warf Deirdre einen nervösen Blick zu, dann wandte sie sich wieder an Phoebe. »Es gibt noch etwas.«
Phoebe lächelte. »Was habe ich verpasst?«
Deirdre seufzte schwer. »Es wird dir nicht gefallen. Mir schon, aber du bist nicht der Typ, der so etwas schätzt.«
Phoebe schaute von Deirdre zu Sophie. »Was ist es? Los, sagt schon!«
Sophie zog eine zusammengefaltete Zeitung
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