Brennende Sehnsucht
nichts in ihren tiefblauen Augen. Sie reagierte überhaupt nicht. Kein Funkeln, kein Blitzen, nicht einmal erwartete jungfräuliche Aufregung ob seiner Unverschämtheit.
Sie riecht wie der Garten Eden.
Jede Frau konnte Parfüm benutzen. Die meisten Frauen, die regelmäßig ein Bad nahmen, rochen ziemlich gut.
Sie wäre warm und weich in deinen Armen, in deinem Bett. Sie würde dir fette, lachende Babys schenken und dich bis ans Ende deines Lebens über den Frühstückstisch hinweg anlächeln.
Und wieder war das nichts Besonderes. Die meisten Frauen würden das tun.
Sie könnte dich alle anderen Frauen vergessen lassen.
Oder vielleicht hatte sie das bereits.
Die eisige Gefahr, die in diesem Gedanken mitschwang, ließ ihn rasch einen Schritt zurücktreten. »Ich komme gleich hinein«, sagte er heiser. Gott, lass sie bloß nicht dieses nackte Verlangen in seiner Stimme erkennen, das er selbst vernommen hatte.
»Geht... geht zu Calder. Ich bin mir sicher, er wartet auf Euch. Ihr seid sowieso besser mit ihm bestellt.« Er lächelte, ein bitteres weißes Aufblitzen in dem düsteren
Flur. »Ihr habt inzwischen wahrscheinlich alles über mich erfahren.«
Sie schaute ihn ernst an. »Ihr werdet generell für einen Lebemann gehalten, für einen Schurken und einen Lump. Ihr habt vergessen, das zu erwähnen, als ich Euch danach fragte.«
Er zuckte die Achseln, sein Lächeln wurde etwas schärfer. »Ich habe gelogen. Das machen Lebemänner, Schurken und Lumpen gemeinhin, wisst Ihr?«
Sie nickte. »Das habe ich bemerkt.« Sie reckte das Kinn in die Höhe. »Nun, wir werden uns in Zukunft oft sehen. Ihr solltet wissen, dass ich... dass ich Euch letzte Nacht nicht übel nehme. Geschehen ist geschehen.«
Er verbeugte sich knapp. »Das ist sehr großzügig von Euch, Miss Millbury. Ich werde mich bemühen, dasselbe zu tun.«
»Oh.« Sie blinzelte. Er konnte ihre Verwirrung erkennen – was habe ich ihm getan? Ja, was eigentlich? Schließlich würde keine Frau, die noch alle Sinne beisammen hatte, das schwarze Schaf wählen, wenn sie den Goldjungen haben konnte!
Sie reckte das Kinn und lächelte dieses perfekte, entrückte Lächeln, das absolut nichts verriet. »Ich sehe Euch dann beim Abendessen.«
Rafe hasste dieses Lächeln.
Sie drehte sich um und ging davon, die personifizierte Unnahbarkeit. Rafe sah ihr nach und ließ etwas in seinem Innern sterben.
Tessa trat von der Tür zurück, die einen faszinierenden Blick auf den Flur bot, und bewegte sich geschmeidig in die Menge der anderen Gäste zurück, die sich im Salon versammelt hatten.
Diese verdammte Vikarstochter hatte ein Geheimnis, und jetzt hatte Tessa auch eines.
Denn Tessa wusste, dass Phoebe ein launenhaftes Wesen besaß – wie Schießpulver war sie absolut ungefährlich, solange niemand ein Zündholz daranhielt.
Und der gut aussehende, berüchtigte Lord Raphael Marbrook könnte genau der richtige Mann dafür sein.
Wie es schien, war das Spiel doch noch nicht aus.
Als Phoebe den Raum betrat, unterhielt sich Tessa mit Deirdre in der hinteren Ecke. Als Lord Marbrook sich zu ihnen gesellte, lächelte Tessa Lord Brookhaven an und lachte, obgleich er keinen Witz gemacht hatte.
Es versprach ein höchst interessanter Abend zu werden.
Neunzehntes Kapitel
S päter am Abend, nachdem sich alle Gäste verabschiedet und ihr gratuliert hatten, ging Phoebe nur im Nachthemd bekleidet in ihrem Zimmer auf und ab. Sie fühlte sich eingesperrt und war unruhig wie ein gefangenes Tier.
Nie zuvor war sie sich so sehr wie ein Betrüger vorgekommen. Sie war keine Marquise. Sie war ganz sicher nichts von dem, wofür die anderen sie hielten – nicht einmal Sophie, die sie für so glücklich hielt -, und sie war ganz gewiss nicht die anständige, tugendhafte Vikarstochter, die Brookhaven in ihr sah.
Marbrook hatte sie erkannt. Er war der Einzige, der jemals ihre Rolle durchschaut hatte, und sie hatte es verdorben.
Hättest du dich wirklich an einen skandalösen Bastard gebunden?
Schon der Gedanke erfüllte sie mit Furcht. Der Skandal verfolgt Marbrook wie ein treuer Hund.
Zweifel plagte sie. Sie glaubte, mehr in ihm zu sehen als der Rest der Welt, aber was, wenn sie sich täuschte? Was, wenn sie wieder einmal düpiert wurde? Sie hatte felsenfest an Terrence geglaubt, und wohin hatte sie das gebracht?
Wie konnte sie sicher sein? Nicht einmal Marbrook selbst stritt seine Vergangenheit ab. Nein. Sie war, wo sie hingehörte, und falls sie nicht die Frau war, für die
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