Brennende Sehnsucht
hinter ihrem Rücken hervor. Widerstrebend reichte sie sie über den Tisch an Phoebe weiter.
Lachend nahm Phoebe sie entgegen. »Nun sehe sich einer eure Gesichter an. Was kann schon so...«
Da war sie, auf der ersten Seite der Zeitung. Die Zeichnung war nicht sehr detailliert und eilig erstellt, als hätte der Zeichner nur einen kurzen Augenblick gehabt, ihr Aussehen festzuhalten, aber sie war es zweifellos. Neben ihrem Abbild war eines von Brookhaven, und dieses war ausführlicher, wodurch sie an seiner Seite schmächtig und unwirklich erschien.
Sie und Brookhaven auf der ersten Seite der beliebtesten Zeitung ganz Londons – ihr Gesicht wurde in der ganzen Stadt und darüber hinaus verbreitet, ihr Gesicht wurde von Zeitungsjungen an jeder Straßenecke verteilt. Sie schloss vor Entsetzen die Augen, dann schlug sie sie wieder auf, denn sie konnte einfach nicht wegsehen.
»Brookhaven wählt eine Braut! Tochter eines Vikars schnappt
sich Londons begehrtesten Junggesellen, bevor die Saison richtig gestartet ist! Mary Mouse und der Marquis!«
Wenn die Schlagzeile schon schlimm war, dann war der Artikel noch schlimmer. »Eure Voice of Society hat herausgefunden, dass Miss Phoebe Millbury erst seit einer Woche in der Stadt ist, und doch hat sie geschafft, was Londons hübscheste junge Damen in den vergangenen drei Jahren nicht geschafft haben: Sie hat die Aufmerksamkeit und den Verlobungsring von einem von Englands begehrtesten Junggesellen, dem umwerfenden Brookhaven, erworben! Unglaublich! Vor allem, da sie es in ihrem letztjährigen Musselinkleid mit Puffärmeln geschafft hat. Ist das denn zu fassen?«
Phoebe fühlte, wie sie am ganzen Körper zitterte. Bedächtig legte sie die Zeitung auf den Tisch und räusperte sich. »Mary Mouse?«
Deirdre steckte sich ein Stückchen Wurst in den Mund. »Die Landmaus. Aus dem Märchen.«
Phoebe atmete ein und atmete aus, aber es half nicht gegen die Enge in ihrem Brustkorb. Ihr Gesicht wurde taub. Sophie sprang bestürzt auf.
»Dee, sie fällt gleich in Ohnmacht!«
Sophie und Deirdre erreichten sie gerade noch rechtzeitig. Sie schoben sie zurück auf ihren Stuhl und brachten sie dazu, den Oberkörper so weit vorzubeugen, dass ihr Kopf zwischen ihren Knien hing.
»Atme«, befahl ihr Deirdre, aber ihre Stimme klang nicht unfreundlich. »Du wirst dich schnell daran gewöhnen, nehme ich an. Schließlich wirst du als Herzogin von Brookmoor ständig in der Zeitung stehen.«
Phoebe wimmerte.
»Dee, das ist nicht gerade hilfreich«, zischte Sophie.
»Nein.« Phoebe richtete sich auf und presste eine Hand auf ihr Brustbein, um sicherzugehen, dass ihre Lunge wieder
richtig arbeitete. »Nein, sie hat ja recht. Ich habe nur nie wirklich darüber nachgedacht.« Und ich hatte geglaubt, dass ich Marbrook dabei an meiner Seite hätte .
Alle würden sie beobachten, jede ihrer Bewegungen würde von der gesamten Gesellschaft begutachtet werden.
Lass sie starren! Du wirst die Herzogin sein.
Eine reiche Herzogin, mit eigenem Besitz. Unantastbar.
Ja, sie durfte dieses Wort nie vergessen.
Unantastbar.
Ihre Atmung normalisierte sich, und sie spürte, wie sie wieder Farbe ins Gesicht bekam. Sie lächelte ihre Cousinen an. »Danke. Es geht jetzt wieder.«
Deirdre schnaubte, als sie auf ihren Stuhl zurückkehrte. »Das will ich hoffen. Du bist die glücklichste Frau Londons, und doch fällst du wegen eines bisschen Klatschs in Ohnmacht. Heulsuse.«
Phoebe lächelte. Offenbar reichte Deirdres Mitleid nicht besonders tief. Da war es am besten, nicht zu viel davon zu beanspruchen. »Du hast recht. Außerdem, wer liest diese Sachen schon?«
Beide Cousinen starrten sie entgeistert an. »Alle«, sagte Sophie, und Deirdre nickte kauend.
»Oh.« Na ja, egal. Es war nichts als ein Haufen Unsinn. Sie würde sich davon in keiner Weise beeinflussen lassen.
Bald war sie unantastbar.
Sophie fand den Familiensalon leer vor und seufzte erleichtert auf. Die Bibliothek war nicht halb so nett wie dieser sonnendurchflutete Raum, vor allem jetzt, am frühen Nachmittag.
Natürlich war Brook House in dieser Hinsicht dem vorherigen kleineren Haus weit überlegen. Wohin auch immer sie sich dort gewendet hatte, hatte es eine Cousine oder Tante
oder gar Diener gegeben, die irgendetwas von ihr wollten. Sie war es gewohnt, in einem großen, alten Landsitz unterwegs zu sein, wo sie kaum einen Dienstboten traf, weil man ihnen leicht aus dem Weg gehen konnte. Nur die Klingel, die vom Bett ihrer Mutter aus
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