Brennende Sehnsucht
ihre Verlobung gab, dann wäre sie frei – aber wäre sie auch furchtlos genug?
Widersprüchliche Hoffnungen rangen in ihr, und Stickleys Jammern machte sie noch wahnsinnig. »Mr Stickley, raus mit der Sprache!«
Er wurde sofort ganz ruhig. Wirklich, vielleicht hatte Tessa mit ihrer herrischen Art gar nicht so unrecht.
»Miss Millbury, Ihr könnt Lord Brookhaven nicht heiraten, weil... weil er ein Mörder ist.«
Sie zog ein zweifelndes Gesicht. »Brookhaven? Wen hat er getötet? Einen Hasen?«
Mr Stickley erstarrte. Gott schütze sie! Aber Phoebe erkannte es als Zeichen, dass sie ihn verletzt hatte. Es war Zeit, es wiedergutzumachen, oder sie würde nie etwas von ihm erfahren. Sie beugte sich eifrig vor und öffnete die Lippen in gespielter Erwartung. »Oh, Mr Stickley, bitte, erzählt mir mehr.«
Er schniefte, doch dann gab er nach. »Also gut. Heute Morgen habe ich von Brookhavens verdächtigen Verwicklungen in den Tod seiner ersten Frau erfahren...«
Phoebe blinzelte. »Brookhaven war bereits einmal verheiratet?«
Stickley gab ein ungehaltenes Geräusch von sich. Phoebe schüttelte ihren Unglauben ab. »Oh, es tut mir leid. Bitte fahrt fort. Ich sitze wie auf Kohlen...« Blablabla, egal, erzähl es mir bloß!
Sie war noch nie gut darin gewesen, das Ende einer Geschichte abzuwarten.
Mr Stickley zog einige Zeitungsseiten aus seiner Tasche. »Ich selbst gebe nicht viel auf Gerüchte, deshalb war ich so frei, bei der Londoner Sun vorbeizuschauen. Ich habe hier die Originalartikel von vor fünf Jahren.«
Er breitete die Blätter vor ihr aus. Jede Schlagzeile war schlimmer als die davor. » Lady Brookhaven bei Kutschenunfall ums Leben gekommen- zwei Tote.« »War die Brookhaven-Kutsche gestohlen?« »Gerüchte über Gerüchte – Wer war der andere Mann?«
Ein gefundenes Fressen für die Klatschspalten. Warum hatte sie von diesem Skandal nichts mitbekommen? Selbst Thornton erhielt die Zeitungen, wenn auch mit ein, zwei Tagen Verspätung.
Ach ja. Vor fünf Jahren hatte sie Tag und Nacht an der Seite des Vikars geholfen, eine Choleraepidemie im Dorf einzudämmen. Monatelang hatte sie keine Zeitung angesehen. Tessa mochte es erwähnt haben, aber Phoebe gab sich immer große Mühe, Tessa nicht zuzuhören.
»Natürlich hat es niemand gewagt, ihn anzuklagen.« Stickley schniefte. »Es gab keine handfesten Beweise, aber wie hätte es die schon geben können? Niemand hatte den Unfall gesehen. Es gab nur Lord Brookhavens Angaben, nach denen man sich richten konnte. Er erklärte die Anwesenheit des anderen Mannes, indem er behauptete, er sei bei ihnen zu Gast gewesen, wenngleich man sich schon fragen könnte, warum ein Marquis einen Schauspieler zu Gast bei sich aufnehmen sollte.«
Phoebe hatte die Artikel überflogen und dabei nach irgendetwas Substanziellerem als Stickleys Tratsch gesucht. Schließlich schob sie die Blätter stirnrunzelnd von sich. »Es gibt hier keinerlei Anhaltspunkte für Eure Befürchtung«,
sagte sie tonlos. War sie enttäuscht oder beruhigt? »Brookhaven mag nicht ohne Fehler sein, aber ich kann das nicht von ihm glauben.«
Mr Stickley blinzelte mehrmals rasch hintereinander. »Aber Miss Millbury! Wenn Brookhaven seine erste Frau ermordet hat, wird er keine Skrupel haben, dasselbe mit Euch zu tun!«
Phoebe kniff die Augen zusammen. »Mr Stickley, ich habe Euch doch gerade erklärt, dass ich nichts auf das Gewäsch der Leute gebe. Ein kleiner Fehler – ein Missverständnis! – und es verfolgt einen für immer!«
Sie wusste nicht, ob sie immer noch über Brookhaven sprach, aber sie spürte, wie Wut und Hilflosigkeit tief in ihrem Innern aufwallten. »Warum können die Leute nicht die ganzen guten Dinge sehen, die jemand tut? Warum können sie nicht über die Jahre harter Arbeit reden oder die Bemühungen um Wohltätigkeit oder die vielen Freundlichkeiten – warum sind es immer diese kleinen Fehler im Urteilsvermögen, die einen bis ins Grab verfolgen?«
Beleidigt und bestürzt erhob sich Stickley. »Ich kann nicht glauben, dass Ihr derart aussagekräftige Beweise in den Wind schlagt.«
»Beweise!« Phoebe sprang ebenfalls auf. »Der einzige Beweis, den ich gelten lassen würde, wäre Brookhavens eigenhändig unterschriebenes Geständnis, das mir vom Prinzregenten persönlich überreicht würde!« Sie verschränkte die Arme und musterte Stickley scharf. »Und selbst dann würde ich Brookhaven erst noch bitten, die Handschrift zu überprüfen.«
Stickleys Verhalten glich nun eher
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