Brennende Sehnsucht
einer Lehrerin als einem Anwalt. »Also wirklich! Wenn Ihr nicht den Verstand habt, Euch selbst zu retten, dann kann ich wohl nichts mehr für Euch tun.«
Phoebe traute sich selbst zu, den Kerl auf der Stelle in der Luft zu zerreißen. Sie biss die Zähne zusammen und hielt die Arme zu seinem Schutz fest verschränkt. »Ich nehme an, Ihr findet selbst den Weg hinaus, Mr Stickley.«
Verärgert verließ er sie. Als er weg war, schloss Phoebe die Augen und kämpfte um ihre Selbstbeherrschung. Was war nur mit ihr los? Sie hatte gerade ihre wahrscheinlich letzte Chance verworfen, aus dieser Sache unbeschadet herauszukommen, denn selbst der Vikar würde es sich zweimal überlegen, sie an einen Mann mit mörderischer Vergangenheit zu verkaufen, aber sie konnte es nicht tun. Sie konnte nicht jemanden eines Gerüchtes wegen ausschlagen, wenn sie sich so oft über ihr eigenes Schicksal beklagte.
Nicht einmal für Marbrook?
Nein. Sie mochte ihren Körper und ihr Leben für Status und Schutz hingeben, aber nicht ihre Seele.
Nicht einmal für Marbrook.
Rafe stieß seinem Pferd die Hacken in die Seiten, und der Hengst schoss mit klappernden Hufen über das Kopfsteinpflaster des Stallhofes.
Er musste sie loslassen.
Die Straßen waren noch immer belebt, deshalb nahm Rafe eine Abkürzung durch die Gassen und näherte sich dem Hyde Park so wie immer. Es gab in London nur einen Ort, an dem man seine Wut und seinen Kummer wegreiten konnte, und das war Rotten Row, ein Reitpfad, der sich quer durch den Park zog.
Längst nicht weit genug, aber es musste reichen.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
N achdem Mr Stickley gegangen war, blieb Phoebe im Salon und marschierte in einem großen Kreis um die Liste der Hochzeitsgäste herum. Schließlich ließ das verdammte Ding sie aus dem Raum und auf den Flur fliehen, wo die einbrechende Dunkelheit den Dienern mit ihren neuen Kerzen zuvorgekommen war.
Eine finstere Figur ragte direkt vor der Tür auf. Rafe?
»Hallo.« Die tiefe Stimme vibrierte in ihrem Bauch. Nein, es war der Marquis. Ihr Verlobter.
Die Erinnerung an Mr Stickleys übles Gerede war noch ganz frisch, also trat sie langsam auf ihn zu und ergriff seine große Hand. »Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit habe, mit Euch zu sprechen«, flüsterte sie. Die Dunkelheit umhüllte sie beide. Der arme Mann. Sie wollte ihm eine gute Frau sein.
Er schloss seine Finger langsam um ihre. »Seid Ihr das?«, murmelte er. »Dann bin ich es auch.«
Phoebe lehnte sich an ihn, ließ ihre Stirn an seiner Weste ruhen. Sie ließ die Finger ihrer anderen Hand über seine Schulter gleiten und sein Haar streicheln und spürte, wie sich im Gegenzug sein Herzschlag beschleunigte.
Phoebe erstarrte. Was jetzt?
Doch dann erkannte sie, dass sie nichts tun musste. Es war ihr gutes Recht, ihren Verlobten anzusprechen und zu liebkosen.
Sie konnte nur nicht erklären, warum sie sich so viel schuldiger fühlte, hier mit Brookhaven im Flur zu stehen, als eben noch mit Marbrook auf dem Sofa.
Also machte sie langsam einen Schritt zurück und versuchte sich ihr plötzliches Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Ein Diener eilte in den Flur, um die Wandleuchter anzuzünden, und Phoebe konnte den amüsierten, aber zugleich sehr interessierten Ausdruck auf Brookhavens Gesicht erkennen.
»Solltet Ihr Euch nicht für das Konzert heute Abend umkleiden, Miss Millbury?«
Konzert? Hatte er sie für heute Abend dazu eingeladen? Sie war irritiert. Wenn er es getan hatte, dann hatte er vergessen, es ihr zu sagen. Aber dann wäre sie wenigstens aus dem Haus.
Weg von Rafe. Sie lächelte kurz. »Natürlich. Das Konzert. Es ist wahrscheinlich höchste Zeit, dass ich mich umziehe.« Sie trat noch einen Schritt zurück und machte einen tiefen Knicks. »Ich werde in Kürze fertig sein, Mylord.«
Er nickte förmlich. »Bis dann, Miss Millbury.«
Gerade als sie die erste Stufe hochgehen wollte, drehte sie sich noch einmal um. »Mylord?«
»Ja, Miss Millbury?«
Sie schluckte. »Ich... heute... ich habe heute aus zuverlässiger Quelle erfahren... ich wusste nicht, dass Ihr schon einmal verheiratet wart.«
Seine Silhouette wurde merkwürdig steif. »Das wusstet Ihr nicht? Eure Tante versicherte mir, sie habe Euch alles erzählt.«
»Oh, ich bin mir sicher, dass sie das getan hat.« Sie wedelte mit der Hand. »Aber, um die Wahrheit zu sagen, Mylord: Ich achte nicht immer auf Lady Tessas Geschwätz.«
»Ah, ja.« Er sagte lange Zeit nichts. »Und was haltet Ihr davon, was
Weitere Kostenlose Bücher