Brennende Sehnsucht
kaum in der Position zu wissen, was das Beste für ein Gut von der Größe und Komplexität Brookhavens ist.«
Einen Moment herrschte Stille. Phoebe wartete, erlaubte sich kaum zu atmen. War sich Calder überhaupt darüber im Klaren, was er da gerade gesagt hatte?
Als Rafe wieder sprach, war seine Stimme so leise, dass sie sie kaum hören konnte.
»Weil ich die falsche Mutter hatte, meinst du?« Sein Ton erinnerte an das wütende Schnalzen einer Peitsche. »Hat diese zufällige Geburt bleibenden Schaden an meinem Hirn angerichtet, was meinst du?«
Calder stieß einen ungeduldigen Laut aus. »Mach dich
nicht lächerlich. Deinem Hirn fehlt gar nichts, wenn du dich denn dazu entschließt, es zu benutzen.«
»Aha. Du meinst also, dass ich die Dinge nicht richtig durchdenke – sagen wir, etwa einer Frau einen Antrag zu machen, mit der ich noch nie gesprochen habe?«
Ah, jetzt waren sie also wieder bei ihr. Außer... bildete sie es sich nur ein, oder waren sie und Brookhaven irgendwie miteinander verknüpft in diesem Kräftemessen der beiden Brüder?
Calder grunzte. »Warum ich Miss Millbury so schnell einen Antrag gemacht habe, ist nicht von Bedeutung.«
Wirklich nicht? Phoebe brannte darauf, mehr zu erfahren.
Rafe fuhr in seinem gedämpften Ton fort. »Ich denke, es ist von immenser Bedeutung. Ich glaube, dass wir, wenn du diese Frage ehrlich beantworten würdest, möglicherweise gemeinsam vor die Tür gehen müssten... oder die Waffen wählen.«
Phoebe schluckte. Ihre fröstelnde Mitte wurde zu Eis. Oh nein. Was hatte sie in diesem ehrwürdigen Haus angerichtet?
Oder war der Kampf schon viel zu alt, als dass sie ihn auf irgendeine Art beeinflussen könnte? War sie einfach nur eine neue Standarte in einem alten Krieg?
»Du hast wieder getrunken.« Calders herablassender Tonfall überspielte seine Sorge.
Rafe atmete tief aus. Phoebe atmete mit ihm, wollte ihn von seinem gefahrvollen Weg zurückhalten.
»Nein, keineswegs«, sagte Rafe ein wenig unbeschwerter. »Keinen Tropfen, seit die Damen eingezogen sind.«
Phoebe hörte seine Schritte, wie sie sich über den Flur entfernten.
»Auch wenn deine brüderliche Sorge um mein Wohlergehen den Wunsch in mir weckt, große Mengen an Brandy in
mich zu schütten«, warf er Calder über die Schulter hinweg zu. »Riesige bernsteinfarbene Ozeane von Brandy.«
Seine eiligen Schritte verklangen, und Stille herrschte wieder vor Phoebes Versteck. War Calder noch da? Sollte sie die Tür öffnen und einen Blick riskieren?
Dann hörte sie Calders gemurmeltes Brummen. »Gottverdammte Scheiße!«
Phoebe riss ob dieser Vulgarität die Augen auf. Sie war nicht schockiert, diese Worte zu hören, sie hatte immerhin öfter als einmal einer Gebärenden beigestanden, aber sie war ganz gewiss schockiert darüber, diese Worte aus dem Mund des steifen, kühlen, gefassten Marquis von Brookhaven zu hören.
Offenbar war sie nicht die Einzige, die unter Ausbrüchen starker Gefühle litt, wenn es um Lord Raphael Marbrook ging!
Sie hörte Calders üblicherweise gesetzten Schritt in ungeziemender Eile in entgegengesetzter Richtung verklingen.
Obwohl es in der Kammer, in der sie sich befand, stockdunkel war, wurden ihr einige Dinge nur allzu klar. Sie verlor allen Mut und ließ sich an der Wand herabsinken, bis sie auf dem Boden hockte und mit beiden Armen ihre angewinkelten Knie umklammerte.
Zwei Hunde, die sich wachsam umkreisten, und sie war der Knochen – oder das Symbol des Brookhaven-Knochens – oder irgendetwas in der Art. Ihr tat der Kopf weh.
Ein diskretes Klopfen kam von der Tür. »Miss?«
Phoebe seufzte. »Ja, Fortescue?« Sie antwortete, ohne den Kopf von den Knien zu heben.
»Miss Millbury, kann ich Euch irgendwie helfen?«
»Nein danke, Fortescue. Es geht mir ausgesprochen gut.«
»Eine Kerze vielleicht?«
»Nein danke.« Sie hielt einen Moment inne. »Fortescue, was ist das für ein Raum?«
»Der Wandschrank, in dem wir die Tafelwäsche aufbewahren, Miss.«
»Wird irgendjemand in den nächsten paar Stunden Tafelwäsche benötigen?«
Sie konnte fast hören, wie der elegante Fortescue ein wenig erheitert die Lippen schürzte.
»Ich denke, wir werden ohne zurechtkommen, Miss. Was soll ich Seiner Lordschaft sagen, wenn er mich nach Euch fragt?«
Sie lehnte die Stirn an die Tür. »Fortescue, habt Ihr je gesehen, wie sich zwei Hunde um einen Knochen streiten?«
»Ja, Miss.«
»Nun, dieser Knochen hier braucht ein bisschen Urlaub.«
»In der Tat, Miss. Ich
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