Brennende Sehnsucht
würdest sie von allem ausschließen, was für dich von Bedeutung ist, genau wie Melinda, und dann würdest du dich darüber wundern, warum sie unglücklich ist! Du hast diese Frau, diese reizende, liebevolle, kostbare Frau – du hast alles -, aber du wirst nie auch nur einen Fetzen davon wirklich zu würdigen wissen.
Das konnte er leider nicht laut aussprechen. Calder sprach nicht über Melinda. Niemals. Rafe biss die Zähne zusammen, um die Worte zurückzuhalten, die ihm auf der Zunge lagen. »Bist du nicht für heute Abend mit Miss Millbury verabredet?« Er sprach schroff, aber nicht so hitzig, wie sein Bruder es verdient hätte.
Calder blieb stehen. »Oh, verdammt! Die Opernkarten.« Er klemmte den Ordner unter den Arm und beugte sich über ein Blatt Papier auf seinem Schreibtisch. Rasch tauchte er die Feder ins Tintenfass, kritzelte eine schnelle Nachricht und faltete das Papier einmal zusammen. Sich aufrichtend, hielt er es Rafe hin. »Sorge bitte dafür, dass sie das hier bekommt. Mein Pferd wartet bereits auf mich.«
Rafe nahm den Zettel, als Calder an ihm vorbeieilte. »Gott verhüte, dass du dem Pferd irgendwelche Umstände machst«, murmelte er. »Zur Hölle mit uns anderen.«
Aber natürlich hörte Calder nichts von alledem. Er war bereits fort.
Rafe schaute auf die Nachricht in seiner Hand.
Meine liebe Miss Millbury, ich bedaure, dass ich das Euch gegebene Versprechen für heute Abend nicht halten kann.
Brookhaven
Ein guter Bruder würde dafür sorgen, dass die Nachricht ihren Adressaten fand. Ein guter Bruder würde sich auf dem nächsten Schiff nach Übersee einschiffen.
Er knäulte den Zettel zusammen und schob ihn sich in die Tasche. »Offenbar bin ich kein guter Bruder.«
Er konnte es nicht tun. Er konnte jetzt nicht gehen und Phoebe im Stich lassen, sie einem Leben der luxuriösen Vernachlässigung überlassen, wohl wissend, dass ihre Unzufriedenheit wachsen würde, bis sie eines Tages wie Melinda im Versuch, dem Schmerz und der Leere ihres Lebens zu entfliehen, aus einer zerberstenden Kutsche katapultiert würde wie eine kaputte Puppe.
Phoebes unglückliche Zukunft erstand vor seinem inneren Auge. Er musste ein letztes Mal versuchen, sie davon zu überzeugen, diese Hochzeit abzublasen.
Offensichtlich hatte Melinda etwas über Calder gewusst, das Rafe niemals hatte glauben wollen.
In der ihm eigenen korrekten, eisigen und herzlosen Art war Calder der eigentliche Bastard von Brookhaven.
Tessa lauschte wieder einmal. Oh, wenn ihr irgendjemand begegnet wäre, dann hätte es freilich so ausgesehen, als ginge sie nur den Flur hinunter.
Sie wurde nur selten erwischt. Sie hatte einen brutalen, gewalttätigen Vater gehabt, der für ihren sorgfältig versprühten Charme nicht immer empfänglich gewesen war. Es war eine Gratwanderung gewesen, ihn aus seiner schlechten Laune zu locken, ohne ihn dabei zu sehr auf sich aufmerksam zu machen. Sie hatte gelernt zu manipulieren,
Ränke zu schmieden und zu gewinnen. Ganz zu schweigen von dem Wissen darüber, wie man sich unbemerkt im Haus eines Mannes bewegte, selbst auf Kleinigkeiten achtend wie den Geruch einer Zigarre oder das Klirren eines Whiskyglases, den schwereren Schritt. Diese Fähigkeit schien ihren Wert nie zu verlieren, dachte sie und lächelte still vor sich hin.
Brookhaven war fort, und wie es aussah, würden die Mäuse anfangen zu tanzen.
Nun, ihr stand es wirklich nicht zu, sich einer jungen Liebe in den Weg zu stellen. Vor allem wenn ihre Hilfe sie – oder natürlich vielmehr Deirdre – zu einer sehr reichen Frau machen würde.
In der Kanzlei von Stickley & Wolfe war ein neuer Schlachtplan entwickelt worden.
»Seine Lordschaft hat Karten für die Oper heute Abend. Ich habe einen Botenjungen nach Brook House geschickt, der mir versichert, dass er selbst seine Zukünftige dorthin bringen wird. Sie haben natürlich ihre eigene Loge, was bedeutet, dass Seine Lordschaft hin und wieder herauskommen wird, um die Beine auszustrecken, eine zu rauchen et cetera.«
»Et cetera?«
Wolfe verkniff es sich, die Augen zu verdrehen. »Okay, pinkeln zu gehen. Wie auch immer, wir können uns entsprechend anziehen und vor seiner Loge auf ihn warten. Die oberen Ebenen des Opernsaals bestehen aus einer Menge kleiner Flure. Wir schnappen ihn uns, überwältigen ihn zu zweit und...« Stickleys Zucken war nicht länger zu übersehen. »Was ist?«
»Ich habe nichts anzuziehen.«
Wolfe zuckte die Achseln. »Einfach irgendeinen eleganten
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