Brennender Stahl: Die Schattensammler-Saga (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
gedrungene Festungen wachten zu beiden Seiten über die Zufahrt zu der Bucht. Einige Fischerboote tummelten sich auf dem Wasser. Dazu kamen drei Drachenboote, die an langen Holzstegen vor Anker lagen. In der Stadt ging es eher ruhig zu. Von dem geschäftigen Treiben, das sie alle aus den Hafenstädten Mondorias kannten, war hier kaum etwas zu spüren. Im Hafen wurden zwar die Fischerboote be- und entladen, und in den Straßen bewegten sich vereinzelt Leute. Aber mehr auch nicht. Keine Märkte, keine Menschenströme, die sich lärmend in die Stadt und auch wieder hinaus bewegten. Keine Musiker und Gaukler. Alles wirkte nordisch unterkühlt.
Als sie sich dem Stadttor näherten, blieben sie in einiger Entfernung stehen. Die drei Nordmänner – Olof, Bernhard und Rasmus, der ebenfalls mitgekommen war – gingen alleine weiter und bereiteten die Torwächter auf das vor, was sie gleich erwarten würde. Dennoch war der Aufruhr groß, als die zwei Grünhäute und die sonderbar aussehende Frau die Stadt betraten. Von allen Seiten liefen Menschen zusammen, um zu gaffen. Kleine Kinder zeigten mit den Fingern auf sie und fragten ihre Mütter, was das denn wohl sei. Snip kam sich vor, als wären sie die Attraktion eines Zirkus‘. Kein schönes Gefühl! Deshalb freute er sich, als sie bald darauf ein Gasthaus erreichten und darin verschwanden. Zwar schauten sie die Leute, die dort herumsaßen ebenfalls schief an. Doch es waren längst nicht so viele. Und nach einigen erklärenden Kommentaren durch die Nordmänner, kehrte fast so etwas wie Normalität ein.
Als der Wirt ein wenig zu essen und zu trinken brachte, lud Rasmus ihn ein, sich kurz zu ihnen zu setzen. Schnell entwickelte sich ein lockeres Gespräch, bei dem es dann auch um die Möglichkeit einer Überfahrt nach Joerrand ging. „Zu dieser Jahreszeit?“, fragte der Wirt erstaunt und warf den Gefährden einen mitleidigen Blick zu. „Ja.“, bestätigte Rasmus, „Es ist wichtig. Meine Freunde befinden sich auf einer Mission, die für uns alle von großer Bedeutung sein kann.“ Der Wirt schaute langsam in die Runde und musterte die merkwürdigen Gestalten, die ihm da gegenübersaßen. „Das muss ja wirklich wichtig sein, wenn ihr solch ein großes Risiko auf euch nehmen wollt.“ Dann erzählte er von Schneestürmen, Packeis und tödlichen Monstern, wobei er alles mit lebhaften Mienen und Gesten untermalte.
„Ihr werdet kaum jemanden finden, der jetzt noch bereit ist, euch mit dem Schiff überzusetzen. Im Frühjahr – sicher. Aber im Herbst? Allerdings…“ Er kratzte sich grüblerisch an seinem rötlichen Bart. Ungeduldig schauten die Schattensammler ihn an. „Was allerdings?“, stieß Mia schließlich hervor und ließ keinen Zweifel daran, dass sie eine prompte Antwort wünschte. Der Wirt räusperte sich hastig. Dann fuhr er fort: „Es gibt da einen alten Haudegen. Thorge Asmundsson. Er hat schon viel erlebt und mitgemacht. Und er könnte unter Umständen bereit sein, euch mit seinem Schiff dort herüber zu fahren – wenn die Bezahlung stimmt. Allerdings muss ich euch warnen. Der alte Thorge ist ein wenig merkwürdig. Manche sagen sogar, er sei verrückt.“ „Na prima!“, gab Mia trocken zurück und seufzte innerlich. Warum mussten sie es eigentlich immer mit Verrückten zu tun bekommen? Es gab doch auch genügend normale Menschen auf der Welt. Aber irgendwie schienen sie die Sonderlinge ganz besonders anzuziehen.
Keine Stunde später saß Thorge Asmudsson bei ihnen am Tisch. Der Wirt war so freundlich gewesen, den Seemann und Krieger zu ihnen zu bringen – natürlich gegen eine großzügige Bezahlung. Schon beim ersten Anblick konnten die Schattensammler nachvollziehen, dass dieser Mann als Sonderling galt. Er befand sich im fortgeschrittenen Alter – schätzungsweise fünfzig Jahre hatte er auf dem Buckel. Das lange silbergraue Haar hatte er zu einem Zopf geflochten, der ihm locker auf den Rücken herab hing. Zahlreiche Narben zeichneten sein Gesicht. Eine davon ging direkt durch sein linkes Auge, das er dadurch eingebüßt hatte. Doch statt einer Augenklappe, die andere in solch einer Situation getragen hätten, hatte er sich eine blaue Glaskugel in die leere Augenhöhle geschoben. Ein irrer Anblick, der es dem Betrachter schwer machte, seinen Blick davon abzuwenden. Seine Kleidung entsprach den üblichen Gewändern der Nordmänner. Um den Hals trug er eine Kette aus unterschiedlichen Tierzähnen. Der längste in der Mitte maß sicherlich gut
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