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Brennender Stahl (von Hassel)

Brennender Stahl (von Hassel)

Titel: Brennender Stahl (von Hassel) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Brendt
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die Kälte begann, auch das letzte bisschen Kraft aus dem Körper zu ziehen, wenn das Fernglas Zentner zu wiegen schien, wenn die Glieder steif zu werden schienen. Dann, wenn ein Ausguck müde wurde und nicht mehr genug auf seinen Sektor achtete, dann, wenn sich das Schicksal eines Bootes entscheiden konnte.
    Das Licht wirkte nur wie ein winziges Flackern. Es war pures Glück, dass Lauer es überhaupt sah. Nach ein paar kurzen Zuckungen schien es wieder zu verlöschen oder vom allgegenwärtigen Grau der See verschluckt zu werden. Lauer zwinkert und starrte in die graue Wüstenei aus Brechern. Alles war diesig, und obwohl es beinahe Mittag war, konnte man kaum die Grenze zwischen Wasser und Luft erkennen. Aber irgendwo in dieser grauen Waschküche hatte ein Licht geblinkt. Als er begriff, fühlte er eine Kälte in sich aufsteigen, die kälter war, als das Seewasser. Er riss sich zusammen und stieß den WO an. »Herr Oberleutnant, Licht an Steuerbord voraus!« Er musste brüllen, um sich gegen den Sturm verständlich zu machen.
    In die vermummte Gestalt Hentrichs kam Bewegung, und der IWO spähte in die angegebene Richtung. Er zwang sich zur Ruhe. Es wäre so einfach gewesen, Alarm zu geben. Aber dann wäre das Boot mit voller Fahrt in die Tiefe gerauscht. Dort wären sie langsamer als hier an der Oberfläche. Er versuchte, die diesige Luft mit den Augen zu durchdringen, bis er glaubte, sie würden ihm aus dem Kopf fallen. Aber er sah nichts. Er legte die Hand auf die Schulter des jungen Seemannes und brüllte: »Ich seh's nicht!«
    Ein Brecher schwappte wieder von hinten in den Wintergarten und umspülte ihre Beine, so dass sie um Halt ringen mussten. Dann deutete Lauer wieder auf die graue See hinaus: »Dort, Herr Oberleutnant!«, brüllte er. Und dieses Mal sah auch der IWO, was der junge Lauer meinte. Wie ein Irrlicht blinkte etwas an Steuerbord auf, und zur Antwort erschien ein zweites Licht, kaum sichtbar noch weiter an Steuerbord.
    Gedanken rasten durch Hentrichs Kopf. Offensichtlich waren es Signalscheinwerfer. Das war keine Frage. Mindestens zwei Schiffe. Wenn er Alarm gab, konnten sie im Keller verschwinden. Aber andererseits waren die Tommies, und nur solche konnten es hier draußen sein, noch ein ganzes Stück entfernt, und es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn die das dunkelgraue Boot gegen den tobenden Ozean erkannt hätten. Unter diesen Umständen machten sie sich wohl besser über Wasser von dannen. Doch das musste der Alte entscheiden. Er beugte sich vor und brüllte ins Sprachrohr: »Kommandant bitte auf die Brücke, Kriegsschiffe in Nordwest!«
     
    Von Hassel hatte gerade entschieden, dass er doch in die Zentrale gehen würde, um noch einen Blick auf die Karte zu werfen, als der Ruf des IWO aus dem Sprachrohr hallte. Ohne darauf zu warten, dass der Zentralemaat ihm das Ölzeug reichte, raste er die schmale Leiter empor, immer bereit, sich sofort wieder nach unten rutschen zu lassen, sollte oben jemand Alarm geben. Aber es gab keinen Alarm. Stattdessen hob er das stählerne Luk an und wurde von einem kräftigen Wasserguss begrüßt, der drohte, ihn einfach wieder die Leiter hinunter zu schwemmen. Mit einem Fluch schlug er den Deckel zu und wartete, bis der Bug sich wieder aufrichtete, bevor er nach oben auf den Turm schlüpfte.
    Ohne Ölzeug war es noch unangenehmer. Die Gischt hatte ihn in Sekundenschnelle durchnässt, aber das war im Moment alles uninteressant. Er wandte sich an Hentrich und brüllte: »Kriegsschiffe, IWO?«
    Der Oberleutnant deutete in die Richtung und erwiderte ebenso laut: »Im Nordwesten, Herr Kaleun, mindestes zwei. Sie haben Signale gegeben.«
    Der Kommandant spähte angestrengt in die angegebene Richtung: »Signale? Ich sehe nichts.« Er rieb sich über die Bartstoppeln. »Scheint's, die Gentlemen haben ihr Schwätzchen beendet. Das macht's schwierig, sie zu erkennen. Bei der Suppe laufen wir glatt in sie hinein.«
    Wieder flutete ein Brecher den Turm, während unter ihnen das Boot rollte, als sei es betrunken. Fluchend klammerten sich die Männer fest und erinnerten mehr denn ja an Seehunde auf einem überspülten Felsen.
    Von Hassel wartete, bis das Wasser abgelaufen war, und brüllte dann den IWO an: »Haben Sie eine Ahnung, in welche Richtung die Burschen laufen?«
    »Nein, Herr Kaleun!«
    »Herr Kaleun!«, Jens Lauer musste brüllen, um sich verständlich zu machen. Aus großen rotgeränderten Augen starrte er auf die See, bevor er den Arm ausstreckte: »Dort

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