Brennender Stahl (von Hassel)
klart das mal auf, bevor die guten Äppel alle in der Bilge verschwinden.«
Der Zentralemaat nickte ergeben, während die Rudergänger sich eins grienten. Natürlich durften sie nicht von ihren Plätzen weg, also musste der Maat die Äpfel aufsammeln, die überall herumkollerten. Das würde nicht ganz einfach werden, wenn er selbst keinen sicheren Stand hatte. Sie wussten das, und er wusste das. Trotzdem nickte er: »Jawoll, Herr Oberbootsmann!« Schließlich, irgendwie mussten die Äpfel ja wegkommen.
Willi Rückert kämpfte mit dem Seegang, Selbstzweifeln und vor allem mangelndem Wissen. Da es an Bord von U-68 keinen Arzt gab, wie auf den meisten U-Booten, war er sozusagen im Nebenberuf der Sanitäter des Bootes, unterstützt vom Smut. Man hatte ihm zu diesem Zweck sogar einen Lehrgang zukommen lassen, aber der war auch kurz genug gewesen. Nun hatte er bereits eine ganze Reihe von Blessuren versorgt. Die meisten davon waren Prellungen, Schnitte und Quetschungen gewesen. Was eben bei solch einem Sturm zu erwarten war. Doch das, was er jetzt vor sich hatte, versetzte ihn, gelinde gesagt, in Erstaunen. Fassungslos sah er den Mann an, der vor ihm stand: »Fischer, Sie waren also noch nicht ein einziges Mal auf'm Lokus, seit wir ausgelaufen sind?«
»Nee, Herr Maat, und et drückt nu janz jewaltich! Aber jehn tut nischt!«
Rückert schüttelte den Kopf: »Na toll, du musst ja innerlich schon ganz versteinert sein.« Er nickte dem Smut zu: »Also, einen Esslöffel Rizinus, aber einen großen.« Er wandte sich wieder dem unglücklich schauenden Matrosen zu: »Und morgen will ich 'ne Erfolgsmeldung, Fischer, is das klar?«
»Na, ick bemüh mir redlich, Herr Maat!«
Der Funker griente freudlos, während er sich an der Koje, auf der er saß festklammerte: »Na, das hoffe ich nu wirklich! Also, ab dafür!« Er wandte sich Richtung Schott zum Bugraum: »Der nächste bitte!«
Aber es kam kein nächster. Stattdessen kam von der anderen Seite der blutende Steuermann reingetaumelt: »Wo ist hier die Schlange?« Er klammerte sich an den Kojen fest, während das Boot sich wieder mal überlegte.
Willi Rückert betrachtete den Mann mit einer Grimasse: »Heilige Scheiße, Herr Steuermann, was haben Sie denn angestellt.«
»Hab mir den Kopf am Seezielsehrohr angehauen.« Er ließ sich Rückert gegenüber auf die Koje sinken und suchte Halt.
Der Funker zwinkerte: »Na, ich glaube nicht, dass es besser gegangen wäre, wenn’s das Luftzielsehrohr gewesen wäre, Herr Steuermann.«
»Wie?«
»Vergessen Sie's einfach wieder. Lassen Sie mal sehen?« Im etwas trüben Lampenlicht tupfte Rückert die Wunde sauber und sah sich die Bescherung an: »Tja, das muss wohl genäht werden.«
»Nähen?« Franke sah ihn mit unverhohlenem Entsetzen an. »Bei dem Seegang? Wo geht denn dann wohlmöglich die Nadel hin?«
»Das ...«, Rückert kratzte sich am fettigen Kopf, »... das ist eine wirklich gute Frage!«
Jens Lauer versuchte, die Übelkeit zu unterdrücken. Hier oben ging es besser als unten im Boot. Aber besser bedeutete noch lange nicht gut. Genauer gesagt, ihm war sterbenselend zumute. Immerhin hatte Braunert durch ein Wort zum Bootsmann zur rechten Zeit, dafür gesorgt, dass er den Ausguck nach Steuerbord voraus hatte. Wenn er jetzt die ganze Zeit nach achtern gestarrt hätte, wäre es alles vielleicht noch viel schlimmer gewesen, auch wenn er sich irgendwie nicht vorstellen konnte, wie das ausgesehen hätte. Er war seekrank, und mit der Seekrankheit hatte ihn eine seltsame Teilnahmslosigkeit befallen. Alles, was er wollte, war fester Boden unter den Füßen. Nur gab es nirgendwo festen Boden. Im Boot war immer alles in Bewegung, es gab nicht einmal einen Fixpunkt, an dem er sich hätte orientieren können. Aber vorne im Bugraum ging es zu wie auf einer Luftschaukel ... er unterdrückte den Gedanken.
Unter seinem Ölzeug war er klatschnass, aber das würde wieder trocknen. Immer wieder schwappten die Brecher über den Wellenabweiser oder fluteten von hinten durch den Wintergarten in den Turm. Für Augenblicke standen sie dann bis zur Brust im eiskalten Wasser. Am Anfang der Wache hatten diese kalten Güsse ihm sogar geholfen, seine Lebensgeister wieder zu finden. Das und die kalte Luft hatten ihn aus der Lethargie gerissen, nachdem er sich mühsam hier hoch gekämpft hatte, um seine Wache zu gehen. Aber am Ende des Vier-Stunden-Turns war es anders. Dann zeigte sich die Heimtücke dieser vermeintlichen Helfer. Dann, wenn
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