Brennender Stahl (von Hassel)
ja, in der Theorie ist das ja bekannt, aber eben eigentlich nur für ein getauchtes Boot. Die Längsstabilität ist gleich der Querstabilität.«
»Na, das hammse aber schön jesacht!«, Oberleutnant Hentrich schüttelte den Kopf, kehrte aber wieder zu seinem gewohnte Hochdeutsch zurück: »Sie haben Recht, LI. Wenn ich es nicht gesehen hätte, würde ich es nicht glauben. Aber der Bug stand aus dem Wasser, und dann ging’s natürlich rasant bergab.«
Oberleutnant Wegemann, der Methusalem, dachte nach und schüttelte den Kopf: »Die schweren Maschinen achtern machen natürlich was aus, und der Drehpunkt liegt ja unter dem Turm, das kommt also hin. Aber ganz fassen kann ich es nicht.«
»Was wollen Sie mir mit diesem kryptischen Gerede sagen, LI?«, von Hassel fixierte den Ingenieur. Alles in ihm schrie danach, die Ruhe der Tauchfahrt für eine kurze Ruhepause zu nutzen, aber er musste bereit bleiben. Der IIWO hatte Wache, und im Augeblick schlichen sie sich langsam aber sicher an den Kreuzern vorbei. Sogar das Horchgerät funktionierte heute zur Abwechslung einmal problemlos und Funkmaat Rückert behielt die beiden Tommies im Ohr. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass die Kreuzer sie mitbekamen, und wenn, dann wäre es sowieso schwierig gewesen, bei diesem Wetter ein U-Boot zu jagen. Mit Schaudern dachte von Hassel daran, dass sie sechzig Meter tief hatten tauchen müssen, bevor die Bewegungen des Bootes nachließen. Doch man wusste ja nie.
Er konzentrierte sich wieder auf den LI, der mit langem Gesicht irgendwelche Zahlen auf ein schmieriges Stück Papier warf: »Ich kann also bei schwerem Seegang nicht mit der Fahrt hochgehen?«
»Moment, Herr Kaleun! Ich rechne noch.« Der Oberleutnant betrachtete missmutig seine Zahlen »Ich denke, wir können bei schwerem Seegang das Boot etwas kopflastiger trimmen. Dann hebt sich der Bug nicht so leicht. Aber dafür reißt es uns schneller den Allerwertesten aus dem Wasser. Wir müssen halt aufpassen, dass es uns nicht eine Welle zerreißt. Aber das müssen wir sowieso.«
»Na, dann probieren wir das einfach mal aus. Ich nehme an, das stand mal wieder in keiner Bedienungsanleitung?«
»Nein, natürlich nicht, Herr Kaleun. Außerdem hat natürlich niemand diesen Typ im Atlantik ausprobieren können.« Der LI runzelte die Stirn: »Ich habe ein paar Sachen vom Typ IA gehört. Der ist ja auch so lang. Aber so extrem, das ist was Neues.«
Am Schottrahmen klopfte es, und Willi Rückert steckte den Kopf rein: »Verzeihung, Herr Kaleun, aber ich habe das GHG an Henke abgegeben. Er behält die Tommies im Ohr und ich hab mal nach Lauer gesehen. Er ist jetzt wach.«
»Gut!«, der Kommandant sah ihn fragend an, »wie geht’s ihm?«
»Er hat `nen ziemlich dicken Schädel, aber das vergeht. Wenn es sich machen lässt, würde ich ihn gerne noch etwas in der Koje lassen, aber andererseits, wenn es mit der Seekrankheit wieder losgeht, dann ist das auch nicht viel besser.«
Von Hassel erhob sich und quetschte sich an dem Tisch vorbei nach vorne: »Na, dann gehe ich da mal vorbei ...«
6.Seetag – Der Befehl
»M-Offizier, Herr Leutnant!«, der Funkgefreite Henke, einer der beiden Funkgasten Rückerts, wedelte mit dem Papier.
Rudi Schneider seufzte und blickte von seinem Buch auf. Er war bereits nahezu durch. Bis sie wieder daheim waren, würde er es wahrscheinlich fünf Mal gelesen haben. Sehr langsam und sorgfältig, beinahe Wort für Wort. Doch das konnte warten.
Das Boot bewegte sich immer noch unruhig, aber das war nur noch Dünung. Der Sturm hatte am Vortag nachgelassen, U-68 hatte die beiden Kreuzer weit hinter sich gelassen und steuerte nun den offenen Atlantik an. Noch immer wusste niemand außer dem Kommandanten, wohin die Fahrt ging. Es wurden immer neue Wetten abgeschlossen. Aber nun wurde es so langsam Zeit. Beinahe erschien es, als warte der Kommandant noch auf etwas. Vielleicht brachte ja dieser Funkspruch endlich Klarheit. Beinahe enthusiastisch erhob der Leutnant sich von seiner Koje und nahm den Funkspruch.
Der Zettel war voller sinnloser Buchstaben. Nur das erste Wort war lesbar: »Offizier«! Also hatte Henke den ganzen Spruch aus sinnlosem Buchstabensalat durch die Enigma-Maschine getippt und das hier rausbekommen.
»Na schön!«, der IIWO deutete auf den Koffer in Henkes anderer Hand, »Sie haben den Wunderkasten bereits mitgebracht? Dann wollen wir mal!« Er stellte die Enigma auf den schmalen Tisch und öffnete eines der Stahlschapps.
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