Brennender Stahl (von Hassel)
nicht fertig, sich auf die Koje zu legen und zu schlafen. Abgesehen davon, dass er nicht wusste, ob die Koje gerade frei war.
Überall im Boot schliefen oder dösten die Männer. Alle Kojen waren belegt. Oberleutnant Wegemann hatte Mühe, sich den genauen Ablauf der Ereignisse wieder ins Gedächtnis zu rufen, aber wie alle hatte er wenig gesehen und die Erinnerung erschien mehr wie eine Aneinanderreihung von Gefühlen. Zuerst war da die Aufregung gewesen, als sie den Kreuzer angegriffen hatten. Die Explosionen der Torpedos. Auch das mehr eine schlaglichtartige Wahrnehmung, denn gesehen hatte er die Wassersäulen nicht. Der plötzliche Schrecken, als der Kreuzer blind auf sie schoss, die Meldung, dass der Brite sich beschädigt zurückziehen würde. Der Kreuzer war schwer angeschlagen, ohne Zweifel. Aber er schwamm noch und er war immer noch weit schneller als das U-Boot. Die Frage nach einer Verfolgung stellte sich also gar nicht. Aber es würde Monate dauern, bis er repariert wäre. Für einige Zeit war er, was die Briten anging, so gut wie versenkt.
U-68 hatte sich unter Wasser in Richtung der letzten Position der Kurland bewegt. Erst als der Kreuzer das Feuer einstellte, waren sie wieder aufgetaucht, immer noch jubelnd über ihren Sieg über den Kreuzer.
Doch sie fanden das Troßschiff nicht mehr. Während ihres Kampfes mit dem Kreuzer war das Schiff gesunken, versenkt von seiner eigenen Besatzung. Der Jubel wich dem Schrecken, als sie die beiden Rettungsflöße fanden. Ein Mann nach dem anderen wurde in die Stahlröhre geholt. Ein scheinbar endloser Strom von verbrannten, verstümmelten Männern. Nur wenige waren unverletzt, aber die standen unter Schock.
Das Boot war gefährlich überladen. Jede Koje war belegt. Männer schliefen auf der Back, andere in den engen Gängen. Noch konnte der LI die Trimmlage des Bootes durch leeren einiger Trimmzellen unter Kontrolle halten und sie waren weiterhin tauchfähig. Aber was geschehen würde, wenn sich in dem vollgestopften Boot im Gefechtsfall jemand schnell bewegen musste, war eine andere Frage. Selbst optimistisch betrachtet, war das Boot nur noch eingeschränkt gefechtsklar.
Oberleutnant Hentrich versuchte sich an die Details zu erinnern. Er hatte versucht, die Namen der Überlebenden zu erfahren, damit diese in die Heimat gefunkt werden konnten. Maat Rückert hatte dem Spruch auch einige medizinische Fragen beigefügt. Immer noch kämpfte er zusammen mit dem Sanitätsmaat des gesunkenen Schiffes um das Leben der Männer. Trotzdem musste man kein Prophet sein um zu wissen, wie viele dieser Fälle ausgehen würden. Schwere Verbrennungen, Infektionen oder auch einfach Erschöpfung würden ihren Tribut auch von den letzten Überlebenden der Kurland fordern.
Der Oberleutnant raffte sich auf. Vielleicht sollte er noch einmal durch das Boot gehen. Es gab immer etwas, dass man geschickter stauen konnte, oder einen Verwundeten, dem man irgendwie helfen konnte. An Arbeit herrschte auf U-68 derzeit kein Mangel.
Der Alte stand inmitten der Turmwache und blickte nach achtern. Die leichten Bootsbewegungen glich er beinahe automatisch mit den Knien aus. Er wirkte überraschend wach, aber als Oberleutnant Wegemann in die Augen des Alten sah, erkannte er eine Rötung. Kein Wunder, der Alte war hier oben, seit sie die Rettungsflöße gefunden hatten. Noch immer kreuzte das Boot um die Untergangsstelle herum, da keiner der Geborgenen genau hatte sagen können, ob es nicht vielleicht noch ein drittes Floß gab.
Von Hassel verzog das Gesicht. »Ah, da sind Sie ja, LI!« Er zögerte kurz. »Ich fürchte, wir haben ein neues Problem! Schauen Sie mal nach achtern!«
Der Leitende sah in die angegebene Richtung. Das Boot fuhr mit kleiner Fahrt. Die Sonne war bereits seit einer Stunde aufgegangen und alles sah so aus, als würde es wieder einer dieser heißen afrikanischen Frühsommertage werden. Eigentlich ein recht ansprechendes Bild, wäre nicht die breite Ölspur gewesen, die das Boot hinter sich herzog. Eine Spur aus buntschillerndem Öl, kein echter Ölteppich, wie ihn die Kurland hinterlassen hatte. Es konnte gar nicht einmal so viel Brennstoff sein, der da auslief, aber es war auf alle Fälle genug, um einem Überwasserschiff anzuzeigen wo das Boot war, wenn es versuchte, sich unter Wasser davonzuschleichen. Eine sichtbare Spur, die ihr Versteck in der Tiefe verraten würde, sollte es zu weiteren Gefechten kommen.
Oberleutnant Wegemann biss sich auf die Lippen.
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