Brennender Stahl (von Hassel)

Maschinen laufen AK!«, der LI klang verzweifelt. Immerhin drehten sie dem angreifenden Zerstörer entgegen.
    »Rückert! Wie weit?« Immer noch versuchte von Hassel Ordnung in das Durcheinander zu bringen.
    »Achthundert Meter, kommt schnell näher!«
    »Melden bei dreihundert!« Von Hassel schob die Mütze etwas weiter nach hinten. Achthundert Meter, mehr Zeit, als er gedacht hatte. Aber nicht allzu viel. »Ruhe im Boot, verdammt noch mal!« Er hörte, wie der Befehl weitergegeben wurde. Das Mahlen über ihnen klang immer lauter, als würde ein verdammter Güterzug über sie hinweg fahren. Aber er war noch nicht über ihnen, noch nicht! Von Hassel zwang sich zur Geduld.
    Er konnte sich den ältlichen Zerstörer dort oben vorstellen. Wie ein Terrier mit einem Knochen im Maul! Aber er würde volle Fahrt laufen, schon alleine um sicherzugehen, dass ihm die eigenen Wasserbomben nicht das Heck abrissen! Volle Fahrt! Das würde seinen Drehkreis auf über zwei Meilen ausdehnen! Wertvolle Zeit, die er jedes Mal verlor! Der Alte versuchte, sich die Situation vorzustellen. Eine der Sloops hatte sie ebenfalls kurz angepingt, aber im Augenblick hörte er nur den gleichmäßigen Rhythmus eines ASDICs. Vielleicht lauschten die anderen? Einer alleine würde sie jedes Mal aus dem Horchgerät und dem ASDIC verlieren, wenn er sie überlief, aber so konnte immer einer die Peilung halten während die anderen warfen. Theoretisch keine Chance zu entkommen, aber zum Glück klaffte zwischen Theorie und Praxis meistens eine gewaltige Lücke!
    »Dreihundert Meter, Herr Kaleun!«, Rückerts Stimme drang in seiner Überlegungen.
    Er holte tief Luft. Sollte er etwas übersehen haben, war es jetzt zu spät, darüber nachzugrübeln. »Steuerbord zwanzig! Backbord-E-Maschine kleine Fahrt zurück, Steuerbord-E-Maschine kleine Fahrt voraus!«
    Es dauerte einen Moment, bis die Backbordschraube stoppte und dann rückwärts wieder anlief. Das Boot erzitterte unter den Kräften, die so ungleichmäßig an seinem Heck zerrten. Aber mit vereinten Kräften brachten Ruder und Schrauben das Boot in eine enge Drehung.
    Komm rum! Komm rum! Immer wieder wiederholte sich die Beschwörung in von Hassels Kopf! Komm rum! Und das Boot kam herum! Als der überrumpelte Zerstörer von der eigenen Geschwindigkeit weitergetrieben über das Boot fuhr, lag U-68 bereits rechtwinklig zu seinem Kurs und die Schrauben begannen wieder mit AK vorwärts zu drehen.
    Zehn Meter pro Sekunde! So schnell sinkt eine Wasserbombe. Bis zur Tiefe in der U-68 seine halsbrecherischen Manöver ausführte, achtzehn Sekunden. Bei voller Fahrt waren das etwas mehr als sechzig Meter, aber U-68 hatte keine volle Fahrt, es nahm nach der engen Drehung gerade erst wieder Fahrt auf!
    Achtzehn Sekunden bedeuteten für den Zerstörer an der Oberfläche knapp dreihundert Meter. So weit war HMS Warlock entfernt, als die Ladungen tief unten in der See explodierten. Aber trotz dreihundert Meter Abstand und hundertachtzig Meter Wasser zwischen dem alten Zerstörer und seinen Bomben schlugen die Druckwellen wie Hämmer gegen den Rumpf. Hinter dem Schiff schien im fahlen Mondlicht ein unterseeischer Vulkan auszubrechen! Wie konnte es anders sein, als dass die Gewalt die sie entfesselt hatten alles, aber auch wirklich alles dort unten kurz und klein schlagen würde?
     
    Für U-68 war es wie der beginnende Weltuntergang. Als würde das Boot unter Wasser durch ein Minenfeld gleiten. Das Wummern der schweren Ladungen schien von überall gleichzeitig zu kommen. Druckwellen warfen das Boot herum, mal, wenn die Ladungen über dem Boot explodierten, drückten sie es nach unten bis fast in den schlammigen Grund, dann wieder, wenn die tief eingestellten Wasserbomben am Grund unter ihnen explodierten, drückten sie es wieder um etliche Meter nach oben.
    Im Inneren der Röhre war es eigentlich unerträglich, aber keiner von ihnen konnte raus. Sie mussten es ertragen. Sie standen, saßen oder hockten in einer engen Stahlröhre, peinlich bemüht, nicht an den Außenwänden zu lehnen. Doch das war gar nicht so einfach, wenn man ständig herumgeworfen wurde. In einem Moment war eine Wand unten, im nächsten Moment die andere. Das einzige, was sich irgendwie nie unten zu befinden schien, war der Boden.
    Das Licht fiel aus, wenn auch wie durch ein Wunder dieses Mal nicht vollständig. So herrschte eine düstere Beleuchtung, die in anderen Teilen des Bootes durch Notbeleuchtung ersetzt war. Je nachdem, wo man sich befand, war