Brennendes Land
wie wenn man das Land verlässt.«
»Es macht Ihnen doch nichts aus, nach Texas zu fliegen? Und Weihnachten nicht zu Hause zu sein? Wir reisen auf der Stelle ab.«
An der Tür läutete es. Kurz darauf trat Donna mit einem Luftpostpaket ein.
»Ist das für mich?« fragte Kevin erfreut. Er schlitzte das Paket mit einem großen Schweizer Armeemesser auf. »Mayonnaise«, verkündete er wenig überzeugend und hob ein unettiketiertes verschlossenes Glas mit weißer Pampe heraus. »Das Zeug könnte nützlich sein.« Er steckte das Glas in das Seitenfach seiner Reisetasche.
»Sie ist da«, flüsterte Donna.
»Ich muss mich um einen neuen Gast kümmern«, wandte Oscar sich an Kevin.
»Ein neuer ›Gast‹?« meinte Kevin augenzwinkernd. »Was ist denn aus der reizenden Dame im Bademantel geworden?«
»Können Sie mir bis morgen mitteilen, wie Sie sich entschieden haben?«
»Nein, Mann, ich hab mich schon entschieden. Ich bin dabei.«
»Sind Sie sicher?«
»Klar, klingt ganz so, als wär’s mal ‘ne nette Abwechslung. Ich fange gleich an. Klären Sie das mit Ihrem Systemadministrator, dann schaue ich mal, was ich für Ihre Rechner tun kann.«
7
Dem Leben im Laboratorium mangelte es an den vielen attraktiven Möglichkeiten der Back Bay von Boston.
Oscar und Greta trafen sich in einem kaputten Wagen auf dem dunklen Parkplatz hinter dem Instandsetzungszentrum. Der Treffpunkt war Kevin Hamiltons Idee gewesen. Kevin hielt viel von geheimen Treffen in anonymen Fahrzeugen. Kevin war kein Geheimdienstagent, kannte aber eine Menge Tricks, wie man sie auf der Straße lernte.
»Ich habe Angst«, gestand Greta.
Oscar rückte das Jackett zurecht und bemühte sich, seinen Ellbogen unterzubringen. Der Wagen war so klein, dass sie einander praktisch auf dem Schoß saßen. »Wie kommt es, dass du wegen einer solchen Kleinigkeit Lampenfieber hast? Du hast in Stockholm mal eine Nobelpreisrede gehalten.«
»Aber damals habe ich über meine Arbeit gesprochen. Das fällt mir leicht. Das hier ist etwas anderes. Du willst, dass ich mich vor den Verwaltungsrat hinstelle und ihm Bescheid stoße. Vor all meinen Freunden und Kollegen. Sowas liegt mir nicht.«
»Eigentlich liegt es dir doch, Greta. Du bist perfekt in der Rolle. Das wusste ich in dem Moment, als ich dich zum erstenmal sah.«
Greta blickte auf den Bildschirm ihres Laptops. Die einzige Lichtquelle im Autowrack warf einen sanften Schein auf ihre Gesichter. Es war zwei Uhr morgens. »Wenn die Lage hier wirklich so schlimm ist, dann hat es keinen Sinn zu kämpfen, oder? Dann sollte ich einfach zurücktreten.«
»Nein, du brauchst nicht zurückzutreten. Bei deiner Rede geht es um deren Rücktritt.« Oscar berührte ihre Hand. »Du brauchst nichts zu sagen, was nicht der Wahrheit entspricht.«
»Also, ich weiß, dass einiges davon wahr ist, weil ich es dir selbst anvertraut habe. Ich hätte es bloß niemals laut ausgesprochen. Und nicht in dieser Form. Diese Rede oder diese Polemik oder was auch immer – das ist ein heftiger politischer Angriff! Das ist unwissenschaftlich. Das ist nicht objektiv.«
»Dann lass uns über die Formulierungen reden. Schließlich bist du die Rednerin – du musst das Publikum erreichen, nicht ich. Lass uns die einzelnen Argumente noch einmal durchgehen.«
Sie scrollte gereizt auf und ab und seufzte. »Na schön. Ich glaube, das hier ist das Schlimmste. Die Sache mit den Wissenschaftlern als unterdrückte Klasse. ›Eine Gruppe, deren Ausbeutung man endlich zur Kenntnis nehmen und beenden sollte.‹ Wissenschaftler, die sich solidarisch erheben und Gerechtigkeit fordern – mein Gott, das kann ich doch nicht sagen! Das ist zu radikal, das klingt verrückt!«
»Aber du gehörst einer unterdrückten Klasse an. Das ist die Wahrheit, das ist die zentrale, drängende Wahrheit deiner Existenz. Irgendwann hat die Wissenschaft den falschen Weg eingeschlagen, die ganze Unternehmung ist zum Teufel gegangen. Du hast deinen angestammten Platz in der Gesellschaft verloren. Du hast dein Prestige verloren, deine Selbstachtung und die Wertschätzung, die Wissenschaftler in der Öffentlichkeit einmal genossen haben. Man stellt vollkommen unerfüllbare Forderungen an dich. Du genießt keine intellektuelle Freiheit mehr. Du lebst in intellektuellen Fesseln.«
»Deswegen sind wir aber noch lange keine ›unterdrückte Klasse‹. Wir sind eine Elite hervorragend ausgebildeter Experten.«
»Na und? An deiner Lage ist doch was faul! Du kannst nicht frei über
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