Brennendes Land
diskreditiert, wurden sie alsbald von Gretas eifrigen Anhängern ersetzt, die ihr bedingungslos vertrauten und ihr freie Hand ließen.
Die Vertreter des Status quo wurden dezimiert, ehe sie ihren Widerstand organisieren konnten. Die vielen Jahre ohne ernsthafte Herausforderung und Auseinandersetzung hatten sie fett und behäbig werden lassen. Sie alle waren zerschmettert worden, ehe sie die Bedrohung auch nur erkannten. Greta hielt nach wie vor das Heft in der Hand. Dank Oscars Oppositionsrecherche und seiner Unmenge demografischer Profile verfügte sie über hervorragendes Hintergrundwissen. Auch das erzwungene Geständnis von Dr. Skopelitis war sehr nützlich gewesen, da Skopelitis sein Gewissen mit einer wahren Flut von E-Mails erleichtert und seine Mitwisser ausgeplaudert hatte.
Abseits dieser aufwühlenden und in aller Öffentlichkeit inszenierten ungezügelten Unmutsbekundungen war der eigentliche Machtwechsel erstaunlich glatt vonstatten gegangen. Felzian hatte das Labor stets wie der stellvertretende Leiter einer Highschool geführt; die eigentlichen Entscheidungen hatten in den fernen Händen von Dougal und seiner Senatsmannschaft gelegen.
Jetzt waren Dougal und seine Spezis am Ende. Das Machtvakuum war jedoch nur von kurzer Dauer. Oscars Team gehörten Politprofis an, die mühelos auch eine Senatsmannschaft hätten stellen können. Mit ein wenig Nachhilfe passten sie sehr gut vor Ort und rissen die ganze Operation alsbald an sich.
Oscar selbst diente Greta als (höchst inoffizieller) Stabschef. Pelicanos kümmerte sich um die Finanzen. Bob Argow und Audrey Avizienis befassten sich mit Belegschaftsangelegenheiten und der Spionageabwehr. Lana Ramachandran war für die Terminplanung, die Büroeinrichtung und die Presse zuständig. ›Corky‹ Shoeki, während Bambakias’ Wahlkampf für die Unterbringung und die Versammlungen zuständig, sorgte für Büroräume im Hochsicherheitstrakt. Kevin Hamilton leistete hervorragende Arbeit als Sicherheitschef.
Greta agierte als ihre eigene Pressesprecherin. Das würde sich irgendwann ändern müssen, doch während des Streiks war es ausgesprochen sinnvoll. Alle Streiknachrichten liefen über sie, und aufgrund der Solorolle, die sie in der Öffentlichkeit spielte, hatte es den Anschein, als hielte sie alle Fäden in der Hand. Auf diese Weise gewann sie das Charisma einer Heldin.
In Wirklichkeit hatten Greta und ihre idealistischen Gefolgsleute keine Ahnung, wie eine moderne Verwaltung organisiert sein sollte. Sie hatten noch nie Macht ausgeübt, daher verlangten sie eher nach eindrucksvollen Jobs mit Titel und Prestige, als sich auf die Kärnerarbeit zu konzentrieren, auf der das Regieren beruhte. Diese Charade kam Oscar sehr gelegen. Mittlerweile war er sich darüber im Klaren, dass er den größten Erfolg seiner Karriere feiern würde, wenn es ihm gelänge, den Fortbestand des Labors zu sichern, die Finanzierung zu gewährleisten und zu verhindern, dass die Anlage Huey in die Hände fiel.
Daher hielt Oscar sich im Hintergrund, fernab des eigentlichen Geschehens. Das neue Jahr nahm seinen Fortgang. Für viele Forscher war der Streik die optimale Gelegenheit, sich in aller Stille davonzumachen, der verbliebene harte Kern aber war erfüllt von revolutionärem Elan. Wie alle Revolutionäre machten auch sie die Erfahrung, dass sich jede Kleinigkeit zu einer moralischen und intellektuellen Krise auswuchs. Jeder einzelne Aspekt ihres früheren privaten und beruflichen Lebens verlangte nach radikalen Veränderungen. Die ehemaligen Unterdrückten verbrachten jede freie Stunde damit, gegenseitig ihr Bewusstsein zu entwickeln.
Und dies alles kam Oscar sehr zupass. Sein politischer Instinkt war geschärft wie nie, und seine Mannschaft, neurotische Besessene alle miteinander, liefen bei einer Krise stets zur Hochform auf.
Am 8. Januar 2045 waren Greta und ihr Küchenkabinett in einer besonders intensiven Debatte begriffen. Die Wissenschaftler berieten über Kandidaten für den neuen Verwaltunsgsrat, und zwar für die Zuständigkeitsbereiche Informationsgenetik und Biomedizin. Oscar, wie immer in Begleitung seines Bodyguards Kevin, hielt sich hinter einem Geräteturm versteckt. Er hatte vor, sie solange reden zu lassen, bis sie müde wurden. Dann wollte er ein paar rhetorische Fragen stellen. Und anschließend würden sie sich mit der Lösung einverstanden erklären, die er bereits vor einer Woche ausgeheckt hatte.
Während Kevin mehrere farbcodierte Proteinstäbchen
Weitere Kostenlose Bücher