Brennendes Land
den Tatsachen ins Gesicht – niemand beabsichtigt, in die Vereinigten Staaten einzudringen. Niemand verletzt mehr Landesgrenzen. Und wenn irgendein idiotischer Notstandsausschuss nun ein altes Radarsystem vergessen hat, was soll’s. Ignorieren wir das Problem einfach.«
»Wir können es nicht ignorieren. Das lässt Huey nicht zu. Er schlägt mächtig viel Kapital aus dem Thema. Er meint, dies beweise, dass der Luftwaffenstützpunkt in Louisiana für die nationale Sicherheit seit jeher unabdingbar war. Die Vertreter Louisianas machen uns im Kongress die Hölle heiß. Sie verlangen, dass wir ihnen einen von Grund auf neuen Stützpunkt bauen, und zwar auf der Stelle. Aber das würde uns Milliarden kosten, und das Geld haben wir einfach nicht. Und selbst wenn wir die Mittel lockermachen würden, können wir doch unmöglich ein größeres Bauvorhaben in Louisiana durchführen.«
»Sicherlich nicht«, sagte Oscar. »Straßenblockaden, eine Sankt-Florians-Mentalität, Kompetenzstreitigkeiten… Huey kommt das sehr gelegen. Wenn die staatlichen Auftraggeber erst einmal knietief im Sumpf stecken würden, könnte er ihnen ein Bein ausreißen und das ganze Budget ausbluten lassen.«
»So ist es. Also sitzen wir fest. Während wir auf der Patriotismus-Schiene auf Huey eingeprügelt haben, hat er das Blatt gegen uns gewendet. Er zieht sich das Hemd an, das wir ihm geschneidert haben. Wir haben ihm direkt in die Hände gespielt. Und das Radarloch können wir nicht ignorieren, weil er bereits Kapital daraus schlägt. Gestern Abend ist ein französisches unbemanntes Flugzeug nach Südlouisiana reingeschwirrt. Die fliegen über die Sümpfe und spielen französische Popmusik.«
»Französische Popmusik?«
»Multikanalsendungen von unbemannten Flugdrohnen. Das ist die frankophone Cajun-Karte.«
»Ich bitte Sie. Nicht einmal Huey kann ernsthaft glauben, jemand würde sich französische Popmusik anhören.«
»Die Franzosen glauben es. Die riechen Yankeeblut im Wasser. Die Franzosen hatten schon immer ein Faible für Sprachkonflikte. Jetzt können sie solange an ihren Verstärkern drehen, bis wir die letzte Burgerfiliale aus Paris abgezogen haben.«
»Leon, beruhigen Sie sich. Sie sind ein Profi. Sie dürfen sich von ihm nicht so aus der Fassung bringen lassen.«
»Aber er hat mich aus der Fassung gebracht, verdammt noch mal. Dieser Hurensohn hält sich einfach nicht an die Spielregeln! Er handelt widersprüchlich und legt uns nach Strich und Faden rein. Als ob er zwei Gehirne hätte!«
»Immer mit der Ruhe«, meinte Oscar. »Das ist eine unbedeutende Provokation. Was sollen wir Ihrer Meinung nach eigentlich unternehmen? Etwa Frankreich den Krieg erklären?«
»Also…« Sosik senkte die Stimme. »Ich weiß, das klingt merkwürdig. Aber hören Sie mich an. Eine Kriegserklärung würde das Problem der Notstandsausschüsse auf der Stelle lösen.«
»Was!« rief Oscar. »Sind Sie wahnsinnig? Wir können doch nicht Frankreich angreifen! Frankreich ist eine bedeutende Wirtschaftsdemokratie. Wir sind doch keine Nazis! Das kommt überhaupt nicht infrage!«
Oscar schaute hoch. Er sah sich einer Gruppe verblüffter Wissenschaftler gegenüber. Sie hatten ihre Diskussion unterbrochen und sich an der anderen Seite des Labortisches versammelt, wo sie nun die Ohren spitzten.
»Hören Sie, Oscar«, fuhr Sosik mit blecherner Stimme fort, »niemand redet davon, tatsächlich Krieg zu führen. Aber die Idee wird in DC eifrig diskutiert. Eine Kriegs erklärung setzt praktisch das föderale System außer Kraft. An der Heimatfront könnte sich ein auswärtiger Krieg als wahre Trumpfkarte erweisen. Frankreich ist ein zu großer Brocken, da gebe ich Ihnen Recht – Mann, Frankreich ist immer noch Nuklearmacht! Aber wir könnten den Niederlanden den Krieg erklären. Die Niederlande sind ein kleines, unbewaffnetes Land, die Bevölkerung nichts weiter als ein Haufen armer Würstchen. Wir würden den Niederländern einen höllischen Schrecken einjagen, der Scheinkrieg würde etwa eine Woche dauern, und dann erklärt der Präsident den Krieg für gewonnen. Der Notstand ist vorbei. Wenn sich der Staub gelegt hat, haben wir wieder einen voll funktionsfähigen Kongress.«
Oscar nahm das Telefon aus dem Ohr, starrte es angewidert an und steckte es wieder hinein. »Hören Sie, Leon, ich rufe Sie später zurück. Ich bin im Moment zu beschäftigt.«
»Der Senator ist von der Idee begeistert, Oscar. Er glaubt, es könnte klappen. Das ist
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