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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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als staatlich bezahlter Cop. Der Fluch der Geheimdiensttätigkeit fiel endlich von ihm ab, verlor allmählich seine Wirkung wie eine langsam nachlassende Heroinabhängigkeit. Doch nachdem er die eiskalte Umklammerung der langjährigen Disziplin abgestreift hatte, war von Jules Fontenot einfach nichts mehr übriggeblieben. Jetzt war er ein einbeiniger Angler aus Louisiana, auf beklemmende Weise vorzeitig gealtert.
    Die Hütte füllte sich mit dem scharfen Geruch köchelnder Pfeffersauce. Oscars neuerdings empfindliche Nase begann zu laufen. Er sah Kevin an, der sich mürrisch Fitzelchen Isolierband von den Handgelenken pellte.
    »Jules, wie läuft’s eigentlich so mit der Angelei?«
    »Das hier ist das Paradies!« antwortete Fontenot. »Die großen Lunker lieben die überschwemmten Gebiete drüben in Breaux Bridge. Der Lunker ist ein gründelnder Fisch mit einer Vorliebe für strukturierten Lebensraum.«
    »Ich glaube, den Lunker kenne ich nicht.«
    »Ach, den haben die hiesigen Sportangler schon vor Jahren entwickelt. Durch die Überschwemmungen, die Umweltgifte und so sind die hiesigen Fische umgekommen. Das Teche drohte zu veralgen, die Algenblüte war fast so schlimm wie in der Toten Zone im Golf. Und da hat man den Staubsaugerfisch zusammengefummelt. Ein großer alter Kanalwels mit Tilapiagenen. Die Lunker werden groß, Mann. Verdammt groß. Vierhundert Pfund schwer, mit Augen wie Tennisbälle. Lunker sind steril, versteh’n Sie. Lunker tun nichts weiter als fressen und wachsen. Als die Laborleute mit der DNS rummachten, haben sie’s bei den Wachstumshormonen übertrieben. Ein paar von den Babies sind mittlerweile fünfzehn Jahre alt.«
    »Ziemlich kühn, was sich die Biotechniker da haben einfallen lassen.«
    »Ach, da kennen Sie Green Huey nicht. Das ist längst noch nicht alles. Huey ist bei Umweltthemen ausgesprochen rührig. Louisiana hat sich vollkommen verändert.«
    Fontenot servierte ihnen das Frühstück: Muschelomeletts und schaurige Würste aus verklebtem Reis. Das Essen war unglaublich scharf – nicht bloß gut gewürzt. Er hatte so viel Pfeffer beigegeben, als handele es sich dabei um ein Grundnahrungsmittel.
    »Die Sache mit den Lunkern, das war eine Notmaßnahme. Aber es hat gut geklappt. Der Notfall ist behoben. Sonst wäre das Bayou jetzt eine Kloake, aber mittlerweile kommen die Barsche zurück. Jetzt kümmern sie sich um die Wasserhyazinthen, die haben den Schwarzbär und sogar den Puma wieder eingebürgert. Das wird nie wieder natürlich, aber es ist wirklich machbar. Will noch jemand Kaffee?«
    »Danke«, sagte Oscar. Nachdenklich schüttete er die erste Tasse des Zichorienkaffees in einen Bodenspalt. »Ich muss Ihnen gestehen, Jules, ich habe mir Sorgen um Sie gemacht, weil Sie hier ganz allein mitten in Hueys Land leben. Ich habe gefürchtet, er könnte sie aufgespürt und belästigt haben. Aus politischen Gründen, verstehen Sie, weil Sie für den Senator gearbeitet haben.«
    »Ach, das. Klar«, sagte Fontenot, unablässig kauend. »Es sind mal ein paar von diesen Milizheinis hier aufgetaucht, um mich ›auszuhorchen‹. Ich hab ihnen meine Hessler & Koch aus Staatsbeständen gezeigt und ihnen gesagt, ich würde ihnen das Magazin in den Arsch jagen, wenn sie sich noch mal meinem Eigentum nähern sollten. Damit war die Sache erledigt.«
    »Na gut«, meinte Oscar und stocherte taktvoll mit seiner Gabel im Omelett.
    »Wissen Sie, was ich glaube?« sagte Fontenot. Früher war er nicht so redselig gewesen, doch Oscar war klar, dass der alte Mann fürchterlich einsam war. »Die Leute sind heutzutage anders. Sie lassen sich viel zu leicht ins Bockshorn jagen, sie haben keinen Schneid mehr. Das hat was mit der abnehmenden Zahl der Spermien zu tun, mit diesen Pestiziden und Hormonen. Man nimmt diese ganzen Umweltgifte auf und kriegt davon diese Yuppiegrippen und Allergien…«
    Oscar und Kevin wechselten Blicke. Sie hatten keine Ahnung, wovon der alte Mann eigentlich redete.
    »Die Amerikaner ernähren sich nicht mehr von ihrem Land. Sie wissen gar nicht, was sie unserer großartigen Natur angetan haben. Sie wissen nicht, wie schön es hier mal war, bevor alles zubetoniert und vergiftet wurde. Eine Million Wildblumen und alle möglichen Pflanzen und Käfer, die hier seit Urzeiten lebten… Mann, als Kind hab ich noch Speerfische geangelt. Speerfische ! Heutzutage weiß keiner mehr, was ein Speerfisch ist.«
    Plötzlich öffnete sich die Tür. Eine Schwarze mittleren Alters trat ein, in der

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